25 Nov

Eine Genossenschaft mit Herz

Initiativen-Sprecher Sebastian Oppermann über eine Wohnbau-Vision mit sozialen Grundwerten

Holzkirchen – Vom Stammtisch zur Genossenschaft: Aus einem Treffen in einer Wirtschaft und einer losen Idee hat sich in Holzkirchen eine Initiative mit handfesten Zielen entwickelt. „Gemeinsam anders wohnen“ strebt ein Baugenossenschaftsmodell an, in dem soziale Werte und das gegenseitige Einanderhelfen großgeschrieben werden. Im Interview erklärt Sprecher Sebastian Oppermann, worauf es in der Gemeinschaft ankommt, wieso ein Mitglieder-Casting deswegen durchaus hilfreich wäre und wie Jung und Alt vom Konzept profitieren können.

Herr Oppermann, warum braucht Holzkirchen eine zweite Baugenossenschaft?

Oppermann: In Holzkirchen sind Wohnungen knapp. Vor allem die für Leute, die keine Superverdiener sind. Da hat die Baugenossenschaft Holzkirchen schon Großartiges geleistet. Aber es ist ja so, dass sie sich in den vergangenen Jahren auf die Instandhaltung des Bestandes konzentriert hat. Da ist verständlicherweise das Bauen ins Hintertreffen geraten.

Sie wollen also weniger als Konkurrent auftreten, sondern eher in die Bresche springen?

Oppermann: Ich sehe es generell nicht als Konkurrenz, weil das genossenschaftliche Modell ein Miteinander ist. Da ist Konkurrenzdenken fehl am Platz. Wenn man sich den Wohnungsmarkt anschaut, kann es gar nicht genug Genossenschaften geben.

Viele Genossenschaften beschränken sich auf die reine Bautätigkeit. Ihre Vision geht ein gutes Stück weiter. Es soll eine Gemeinschaft entstehen und geformt werden.

Oppermann: Richtig, das spiegelt sich ja in unserem Namen wider. Nicht nur nebeneinander her, sondern miteinander wohnen. Das Miteinander ist ein ganz zentrales Ziel. Dass man sich gegenseitig unterstützt, dass man Synergieeffekte nutzt.

Wie soll das funktionieren?

Oppermann: Der eine ist handwerklich begabter als der andere, dafür hat jemand anderes einen grünen Daumen. So kann man sich mit seinem Wissen und Fähigkeiten unterstützen. Was auch dazu führt, dass ältere Menschen möglichst lange in der Wohnung leben können. Und nicht, nur weil die Person nicht mehr einkaufen gehen können, in ein Altenheim müssen. Das Einkaufen kann von einem Nachbarn übernommen werden.

Diese Struktur – jung und alt bunt gemischt – soll über die Größe der Wohnungen geregelt werden. Gibt es Beispiele, wo das funktioniert?

Oppermann: Das, was wir uns für Holzkirchen wünschen, gibt es andernorts schon. Die Wogeno in München testet sogenannte Cluster-Einheiten, die man früher salopp als WG bezeichnet hat. Das ist immer mehr im Kommen, und das gibt es auch für Senioren. Innerhalb der Cluster können sich die Bewohner aber in ihre eigenen vier Wände zurückziehen.

In Ihrem Konzept sind bereits erste Zahlen verankert. Lose Anfragen oder handfeste Interessenten?

Oppermann: Wir haben im Moment 40 Unterstützer, von denen die Hälfte konkret Wohnraum sucht. Die Erfahrung, auch von anderen Genossenschaften, hat gezeigt: Wenn man so einen Gemeinschaftsgedanken hat, wird dieser umso einfacher zu leben, umso mehr Personen auf dem Areal wohnen. So hängt man nicht aufeinander, und es treten seltener Konflikte auf.

Viele Bewohner, viele Charaktere treffen dort aufeinander. Einig müssten die sich vor allem in einem sein, damit das Zusammenleben funktioniert: die Überzeugung, sich einbringen zu wollen. Braucht es dafür ein Casting?

Oppermann: Klar, wir werden an dem Konzept noch arbeiten. Grundvoraussetzung ist am Ende aber, dass man sich damit identifiziert. Wenn das nicht der Fall ist, dann passt man eben nicht zusammen. Einen sozialen Charakter sollte man mitbringen, sonst ist die Idee der Nachbarschaftshilfe obsolet. Andernfalls wird die Person in diesem Konstrukt nicht glücklich – und alle anderen auch nicht. Wenn Sie das Casting nennen wollen, bitte (lacht).

Was Sie beschreiben, geht weit über eine Zweck-Genossenschaft hinaus. Ist Ihr Ansatz eher eine Genossenschaft mit Herz?

Oppermann: Definitiv. Eben ein genossenschaftliches Modell, das dem Menschen zugutekommt – und nicht dem Objekt. Dafür müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Es gibt überall Projekte, die auf diese Weise funktionieren. Allein hier in Holzkirchen das Repair-Café. Daraus ist der Gedanke entstanden, einen Werkraum einzurichten. Da kann ich hingehen, wenn mein Fahrrad kaputt ist, ich aber zwei linke Hände habe.

Was muss man mitbringen, um Mitglied zu werden?

Oppermann: Wir sind ja noch eine Initiative, daher können Sie noch nicht Mitglied werden. Aber wir sind um jede Person dankbar, die unsere Vision mitträgt und Tatkraft einbringt, um unsere Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Wie konkret ist diese Vision denn? Haben Sie etwa schon ein bestimmtes Grundstück ins Auge gefasst?

Oppermann: Wir haben schon mit verschiedenen Baugenossenschaften in der Region Gespräche geführt und abgetastet, was machbar ist und was nicht. Auch bei der Gemeinde haben wir angefragt. Aber noch ist alles offen.

[Merkur, 25.11.2017]

Zeitungsartikel vom 25.11.2017