Immobilien für immer mehr Menschen zu teuer
Frankfurt/Main (dpa) – „Wer zahlt diese Preise eigentlich noch?“, fragt sich selbst der große Immobilienfinanzierer Dr. Klein bei seiner jüngsten Analyse der süddeutschen Metropolregionen.
Im zweiten Quartal dieses Jahres sind die Durchschnittspreise für Wohnungen und Häuser in München, Stuttgart und Frankfurt demnach schon wieder 10 Prozent höher als ein Jahr zuvor. In den vergangenen 15 Jahren haben sich die Preise insgesamt verdoppelt bis verdreifacht. Einzelne Führungskräfte aus Industrie und Banken seien aber immer noch zahlungskräftig genug, sagt der Dr.-Klein-Experte Roland Lenz.
Wohnen im Umland nur mit Homeoffice möglich
Allen Übrigen bleibe nur die Flucht ins Umland – durchaus mit Folgen für das künftige Arbeitsleben. „Eine Arbeitskultur mit Homeoffice-Regelungen halte ich für irreversibel, da die meisten Eigentümer so weit rausgezogen sind, dass ein tägliches Pendeln eine große Belastung wäre“, sagt Lenz. Und weitere Zahlen zeigen: Die steigenden Immobilienpreise sind kein reines Metropolen-Phänomen – und auch kein rein süddeutsches.
Konnte die Corona-Krise dem Immobilienmarkt in Deutschland schon nichts anhaben, so rechnen die Experten nun auch noch mit Nachholeffekten. Laut einer Prognose des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung wird der Immobilien-Gesamtumsatz im laufenden Jahr um 6,3 Prozent auf 311,1 Milliarden Euro steigen. Im bisherigen Rekordjahr 2020 hatte der Umsatz knapp 293 Milliarden Euro betragen. Treiber sind vor allem die Wohnimmobilien, deren Volumen vom Vorjahr voraussichtlich um 7,5 Prozent auf 237,7 Milliarden Euro wächst. Gleichzeitig werde die Zahl der Transaktionen nur leicht um 1,4 Prozent steigen. Der Durchschnittspreis pro Kauffall steigt also weiter.
Keine Atempause im Corona-Jahr 2020
Eine Atempause habe es im Corona-Jahr 2020 nicht gegeben, erklärt Gewos-Experte Sebastian Wunsch. Das Marktgeschehen verlagere sich zunehmend aus den leergekauften Märkten in den Großstädten in die Speckgürtel und in ländliche Räume. Der Trend ins Umland scheine sich im Licht der Pandemieerfahrungen zu verstärken, sagte Wunsch. Besonders gefragt sind Ein- und Zweifamilienhäuser, für die Gewos im vergangenen Jahr ein Allzeithoch von bundesweit 259 300 Kauffällen registrierte.
Die Preise sind damit weiter gestiegen, berichtet Gewos auf Grundlage der tatsächlichen Transaktionen. „Die Preisdynamik im Bereich des selbst genutzten Wohneigentums hat sich im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal verstärkt. Mit 10,8 Prozent bei Eigenheimen und 7,2 Prozent bei Eigentumswohnungen haben wir in 2020 die stärksten Preiszuwächse seit Beginn unserer Aufzeichnungen in den 80er-Jahren festgestellt.“
Das bestätigt auch eine Untersuchung von Immobilienökonomen der Universität Regensburg im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demnach betrug der Pandemieeffekt bei den Angebotspreisen für Eigentumswohnungen im bundesweiten Durchschnitt 0,7 Prozentpunkte. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern seien es sogar 1,1 Prozentpunkte gewesen, wie die Stiftung am Mittwoch berichtet hatte. Insgesamt hätten die Angebotspreise für Eigentumswohnungen zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 2. Quartal 2021 sogar um durchschnittlich 17 Prozent zugelegt, die für Einfamilienhäuser um 15,6 Prozent.
Kleinerer Effekt bei den Mieten
Bei den Mieten sei der Effekt kleiner und zudem regional unterschiedlich: Während die Pandemie das Wachstum bei Neu-Mieten in Groß- und Mittelstädten leicht gedämpft habe, seien die Angebotsmieten für Neuverträge in ländlicheren Regionen durch Corona zusätzlich nach oben gegangen. Bundesweit sind aber auch die Angebotsmieten um 5,0 Prozent gestiegen, so dass die Mieter-Haushalte einen immer größer werdenden Teil ihres Budgets für Wohnen aufbringen müssen.
Getrieben von hohen Baupreisen und fehlenden Anlagealternativen sind Mieten und Immobilien-Kaufpreise wieder stärker gestiegen als die Einkommen, stellt die Regensburger Studie fest. Das vergrößere die Ungleichheit auf den Märkten. Wohneigentum werde vielerorts vor allem für Haushalte mit durchschnittlichen oder kleineren Einkommen „zunehmend unerschwinglich“.
[Süddeutsche Zeitung, 16.09.2021]