27 Sep

Eine gute Geschichte erzählen

Mit der Podiumsdiskussion „Welche Vorteile bietet die Gemeinwohlökonomie für Unternehmen, Kommunen und Vereine?“ startete der 7. Zyklus der Veranstaltungsreihe „anders wachsen“ von KulturVision e.V. im KULTUR im Oberbräu Holzkirchen. Die Argumente der Experten überzeugten.

„Es geht darum, eine gute Geschichte zu erzählen.“

„So wie wir die Welt erfahren, so handeln wir.“ Mit diesem Satz des amerikanischen Psychiaters Ronald D. Laying startete Moderatorin Monika Ziegler die Matinee. Eine Viertelstunde Medienkonsum reichten aus, um die Stimmung eines Menschen von neutral zu negativ zu verändern, erklärte sie und betonte: „Aber auch eine gute Geschichte hat eine enorme Ansteckungskraft. Eine solche gute Geschichte wolle man heute erzählen.“

„Ein gutes Leben für alle“

das Motto der GWÖ

Das Gemeinwohl, so steht es auf dem Roll-Up der Gemeinwohlökonomie, ist in der Bayerischen Verfassung verankert.: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.“ Wie dies umgesetzt werden kann, hat der österreichische Pionier Christian Felber in seinen Büchern niedergelegt. Er war 2019 auf Einladung von „anders wachsen“ im Landkreis zu Gast und trug seine Ideen vor einem vollen Saal vor.
Die anschließend gegründete und während der Pandemie versandete Regionalgruppe GWÖ wurde jüngst von Kerstin Trümper-Kumaus und Timm Jelitschek wieder belebt. „Ein gutes Leben für alle“, dieses Motto von GWÖ habe sie fasziniert und bewogen, sich ehrenamtlich einzusetzen, erklärte Kerstin Trümper-Kumaus. Eine Wirtschaft, in der es nicht nur um Profit gehe, sondern auch darum, wie wir miteinander umgehen und die vielleicht gerade deshalb erfolgreich ist, wolle sie unterstützen.

Als erste Kommune im Landkreis Miesbach hat sich Gmund entschlossen, eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen. Bürgermeister Alfons Besel begründete: „In Gmund ist das naheliegend, denn am Rathaus ist eine Inschrift ‚Oberstes Gesetz ist das allgemeine Wohl‘.“ Der Gemeinderat habe einstimmig beschlossen, die kommunalpolitische Ausrichtung nachhaltig und enkeltauglich zu gestalten. Als Imker spüre er die Veränderungen und wisse um den Handlungsbedarf.
Selbstverpflichtungen und Umgang mit Zielkonflikten

Die GWÖ-Prinzipien seien klar, da gehe es um Selbstverpflichtungen, aber auch um den Umgang mit Zielkonflikten, wie beispielsweise die Balance zwischen dem Schaffen von Wohnraum und Flächenverbrauch. „GWÖ ist für mich die Klammer, ein tolles Tool.“ Auch die Verwaltung habe mitgezogen und erste Arbeitsgruppen hätten ihre Arbeit aufgenommen.

Die Grundsätze der GWÖ

Harro Colshorn arbeitet schon seit zig Jahren nach den Prinzipien von GWÖ in seiner Biogärtnerei und ist auch ehrenamtlich bei der Initiative tätig. Er habe alte bäuerliche Werte erhalten und mit neuem Leben erfüllen wollen, sagte er. Die Verantwortung für Mensch, Tier, Pflanze und Boden sei es, die ihn für die Arbeit im Sinne des Gemeinwohls motiviere. Das treffe ebenso für andere Branchen zu. Mit GWÖ könne ein jeder Unternehmer überprüfen, was er bereits leiste, wo es Entwicklungsbedarf gebe und wie es nach außen getragen werden könne. Es gehe um die Haltung jedes einzelnen.

Diese Überprüfung, erklärte Kerstin Trümper-Kumaus, laufe über eine Bilanz mit 20 Matrixpunkten, anhand derer jeder Einzelne, jedes Unternehmen, jede Kommune die Arbeit einschätzen könne. Das Gute daran sei, meinte Alfons Besel, dass es nicht um Verbote und Gebote gehe, sondern dass die Frage gestellt werde, wie will ich sein. In Gmund sei man jetzt dabei, anhand von Indikatoren zu messen, wo man stehe. Dabei könne man von der ersten in Bayern zertifizierten Gemeinde Kirchanschöring lernen. Ihm gehe es um Lebensqualität und Daseinsfürsorge ebenso wie um Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. GWÖ sei ein gutes Instrumentarium, alles transparent und mit der Bevölkerung darzustellen.

In Deutschland gebe es inzwischen tausend zertifizierte Unternehmen, aber weitaus mehr, die auf dem Weg der Bilanzierung seien, erklärte Harro Colshorn. Auch kommunale Betriebe würden sich der GWÖ anschließen. Rechtliche und ökonomische Vorteile gebe es für die Unternehmen nicht. „Wer nachhaltig wirtschaftet, hat höhere Kosten und weniger Erträge“, konstatierte er. Um die Wettbewerbsverzerrungen abzuschaffen, müssten dringend die Subventionen in Milliardenhöhe abgeschafft werden. „Wir bedienen eine Nische für Konsumenten, die sich höhere Preise leisten können.“

Die Vorteile der GWÖ für Firmen

Die Vorteile der GWÖ für Unternehmen liegen im derzeitigen Fachkräftemangel darin, dass sie für Bewerber attraktiver sind, betonte Kerstin Trümper-Kumaus. „Der gut ausgebildete Nachwuchs sucht sich Unternehmen, die seinen Bedürfnissen nach Arbeitskultur und Work-Life-Balance entsprechen.“ Auch Kunden seien zunehmend für nachhaltig produzierte Produkte sensibilisiert.

Eine lebenswerte Kommune, ein attraktives Unternehmen, das also zeichnet GWÖ aus. Die Philosophie ist aber auch für Vereine und den Einzelnen interessant. Vereine arbeiten eh schon vielfach nach den Prinzipien und könnten durch eine Bilanzierung ihr Image verbessern und Privatpersonen ihre Lebensweise verändern.

Die Initiative „Enkeltauglich leben“, vor der Pandemie von „anders wachsen“ erfolgreich durchgeführt, sollte wieder aufleben, war ein Ergebnis der lebhaften Diskussion des interessierten Publikums. „Zuhören und Bewusstwerden, was Gemeinwohl ist“, das sei die richtige Zielsetzung, meinte Harro Colshorn.

„Die Geschichte der Gemeinwohlökonomie ist eine gute Geschichte und muss hinausgetragen werden“, schloss Moderatorin Monika Ziegler die Podiumsdiskussion.

[KulturVision, 27.10.2022]


https://www.kulturvision-aktuell.de/vorteile-der-gwoe-anders-wachsen-holzkirchen-2022/