16 Feb

Familien fliehen aus den Großstädten

Berlin – Zwei Zimmer, Küche, Bad, mit Nachwuchs und dem Homeoffice auf dem Küchentisch – das Zuwenig an Quadratmetern in den Großstädten wird vielen jungen Familien nach Expertenangaben zu viel. Sie kündigen ihre engen Wohnungen und ziehen in die Vororte oder aufs Land. „Die Familien verlassen mit wehenden Fahnen diese Städte“, sagte Mitautor Harald Simons am Dienstag bei der Vorstellung eines Marktgutachtens des Zentralen Immobilien-Ausschusses (ZIA). In den größten Städten würden heute vor allem „kleine Schuhschachteln“ gebaut, kaum noch bezahlbare große Familienwohnungen.

Die Mieten steigen nach dem Gutachten weiter. Im Schnitt verlangten Vermieter bei Neuverträgen 3,7 Prozent mehr als im Vorjahr. In Landkreisen sei der Anstieg inzwischen stärker als in den Großstädten. „Der Trend zur „neuen Landlust“ hat sich bestätigt“, heißt es im Gutachten.

Deutlich stärker als die Mieten legten bundesweit die Preise zu. Eigentumswohnungen wurden 14,3 Prozent teurer angeboten als ein Jahr zuvor. „Die nochmaligen Anstiege und das enorme Niveau der Kaufpreise sind sowohl überraschend als auch durchaus beängstigend“, so die Gutachter.

Zuletzt hatte es Warnungen vor spekulativen Übertreibungen in bestimmten Städten gegeben. Ob es eine Immobilienblase gebe und wann sie platze, dazu wollte sich Mitautor Lars Feld nicht festlegen. Der Ökonom sagte: „Wenn die Zinsen nach oben gehen, wird es eine Korrektur geben.“

Damit die Mieten und Kaufpreise nicht mehr so stark steigen, sollen nach dem Willen der Bundesregierung bundesweit 400 000 neue Wohnungen pro Jahr entstehen. „Wir wollen sie erreichen, wir müssen sie erreichen“, bekräftigte Baustaatssekretär Sören Bartol (SPD) das Ziel. Er wolle das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen mit Bund, Ländern, Kommunen, Wohnungs- und Bauwirtschaft, Mieterbund, Gewerkschaften stärker mit Leben erfüllen.

Nach dem Gutachten dürften 2021 etwa 315 000 Wohnungen fertiggestellt worden sein, rund 9000 mehr als im Vorjahr. Wegen der langen Bauzeiten könnten 400 000 erst in der nächsten Wahlperiode nach 2025 erreicht werden, sagte Simons. ZIA-Präsident Andreas Mattner sieht das Ziel in weite Ferne gerückt. Er führte das auf den Stopp eines Förderprogramms für Gebäudesanierung im Januar zurück.

[Merkur, 16.02.2022]