Landkreis teurer als die Stadt
In der Pandemie haben viele die Vorzüge des Lebens auf dem Land entdeckt. Deshalb ist das Wohnen heute im Landkreis München teurer als in der Stadt. Ralf Hirschberger, dpa
Seit 2005 steigen die Immobilienpreise in Deutschland kontinuierlich an. Besonders betroffen ist der Großraum München, in dem sieben der zehn teuersten Landkreise Deutschlands liegen. Das zeigt die aktuelle Studie „Wohnen in Deutschland 2021“, eine Zusammenarbeit der Sparda-Banken, dem Institut der deutschen Wirtschaft und dem Institut für Demoskopie Allensbach.
Preissprung
Laut der Studie sind am Wohnungsmarkt keine Einbrüche zu erwarten. Besonders das Umland der Metropolen ist attraktiver geworden und das schlägt sich in den Preisen nieder: Kostete der Quadratmeter im Landkreis München im Jahr 2020 durchschnittlich noch 6314 Euro, sind es dieses Jahr 8301 Euro. In der Stadt selbst sank der Preis sogar leicht auf 7153 Euro. Der Bundesdurchschnitt liegt derzeit bei 2686 Euro pro Quadratmeter. Seit 2018 waren die Preise in der Stadt um nur 4,3 Prozent, im Landkreis aber um 16,8 Prozent gestiegen.
Noch stärker gestiegen als im Landkreis München waren die Preise seit 2005 nur im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen (140,3 Prozent), Augsburg (150,2 Prozent) und dem Spitzenreiter Berlin (165,7 Prozent).
Laut der Studie bedingen vor allem die wegen der aktuell niedrigen Zinsen hohe Nachfrage und das niedrige Angebot in den Ballungsräumen die Preisentwicklung. Viele Menschen zöge es wegen Homeoffice und den pandemiebedingten Beschränkungen des öffentlichen Lebens aus der Stadt. Gefragt seien jetzt weniger eine zentrale Lage und die Nähe zum Arbeitsplatz, sondern gute Luft, mehr Platz und weniger Verkehr. Ein Großteil der Kaufinteressenten wolle aber nicht mehr als 30 Kilometer in die Arbeit pendeln, was den Druck auf den Landkreis München erhöht. Jeder Vierte würde auch mehr als 30 Kilometer und jeder Elfte sogar einen Arbeitsweg über 50 Kilometer in Kauf nehmen. Es sind vor allem die 30- bis 50-Jährigen, die die Städte verlassen, um aufs Land zu ziehen.
Neben den Immobilienpreisen stiegen laut der Sparda-Studie auch die Kaufnebenkosten seit 2010 um 72 Prozent. Kosteten Grunderwerbsteuer, Makler- und Notarkosten vor elf Jahren noch durchschnittlich 25 000 Euro, sind es heute 44 000.
Der Vorstandschef der Sparda München, Helmut Lind, sieht den Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Rahmenbedingungen beim Immobilienerwerb: „Gerade für die jüngeren Interessenten sind in den vergangenen Jahren insbesondere die Erwerbs- und Baunebenkosten zu einer großen Hürde geworden.“
Baubremse befürchtet
Die Situation könnte sich in Zukunft noch verschärfen: Die politischen Vorgaben für den Klimaschutz werden nach Einschätzung der bayerischen Wohnungswirtschaft den Wohnungsbau bremsen und die Mieten verteuern. „Ich glaube, dass der Neubau bei unseren Unternehmen zurückgehen wird“, sagte Hans Maier, Verbandsdirektor der bayerischen Wohnungswirtschaft. „Wir müssen davon ausgehen, dass das Wohnen teurer wird.“ Im Verband der Wohnungswirtschaft sind 493 Unternehmen Mitglied – zum großen Teil Genossenschaften und kommunale Vermieter, denen über eine halbe Million Wohnungen in Bayern gehören.
Ein wesentlicher Preistreiber wird nach Einschätzung des Verbands das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 sein. Die Große Koalition hatte im Mai den Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes beschlossen. Das beinhaltet verschärfte Vorgaben für Gebäude. Der Bundestag muss das Gesetz noch verabschieden, wesentliche Änderungen sind aber nicht zu erwarten. „Wir müssen mindestens 400 000 Wohnungen pro Jahr in den nächsten 20 Jahren klimagerecht herrichten“, sagte Maier. Im vergangenen Jahr haben die Wohnungsunternehmen 2,2 Milliarden Euro investiert, davon zwei Drittel in den Neubau und ein Drittel in den Bestand. Dieses Verhältnis werde sich drehen, prophezeite Maier.
[Merkur, 09.06.2021]