Lebensqualität fördern und alles transparent darstellen
Holzkirchen – Wohnraum schaffen, aber umsichtig mit Flächen umgehen – ein Dilemma, vor dem Kommunen tagtäglich stehen. Alfons Besel, Bürgermeister in Gmund, kennt diese Problematik und hat für seine Gemeinde eine Leitlinie gefunden: die Gemeinwohlökonomie (GWÖ). Welche Vorteile die GWÖ für Kommunen, Unternehmen und Vereine bietet – darum ging es nun bei einer Podiumsdiskussion in Holzkirchen. Der Verein Kulturvision hatte dazu in seiner Veranstaltungsreihe „anders wachsen“ eingeladen.
Gmund hat sich als erste Kommune im Landkreis entschlossen, eine Gemeinwohl-Bilanz zu erstellen. Bürgermeister Besel begründete: „In Gmund ist das naheliegend, denn am Rathaus ist eine Inschrift ‚Oberstes Gesetz ist das allgemeine Wohl‘.“ Der Gemeinderat habe einstimmig beschlossen, die kommunalpolitische Ausrichtung nachhaltig und enkeltauglich zu gestalten. Als Imker spüre er die Veränderungen und wisse um den Handlungsbedarf.
Die GWÖ-Prinzipien seien klar, da gehe es um Selbstverpflichtungen, aber auch um den Umgang mit Zielkonflikten, wie beispielsweise die Balance zwischen dem Schaffen von Wohnraum und Flächenverbrauch. „GWÖ ist für mich die Klammer, ein tolles Tool.“ Die Verwaltung habe mitgezogen, erste Arbeitsgruppen hätten ihre Arbeit aufgenommen.
Das Gute daran sei, meinte Besel, dass es nicht um Verbote und Gebote gehe, sondern um die Frage: Wie will ich sein? In Gmund sei man jetzt dabei, anhand von Indikatoren zu messen, wo man stehe. Dabei könne man von der ersten in Bayern zertifizierten Gemeinde Kirchanschöring lernen. Ihm gehe es um Lebensqualität und Daseinsfürsorge ebenso wie um Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, sagte Besel. GWÖ sei ein gutes Instrumentarium, alles transparent und mit der Bevölkerung darzustellen.
Harro Colshorn arbeitet in seiner Biogärtnerei in Bruckmühl/Vagen, Kreis Rosenheim, schon seit vielen Jahren nach den Prinzipien der GWÖ und ist auch ehrenamtlich bei der Initiative tätig. Er habe alte bäuerliche Werte erhalten und mit neuem Leben erfüllen wollen, sagte er. Die Verantwortung für Mensch, Tier, Pflanze und Boden sei es, die ihn für die Arbeit im Sinne des Gemeinwohls motiviere. Das treffe ebenso auf andere Branchen zu. Mit der GWÖ könne jeder Unternehmer überprüfen, was er bereits leiste, wo es Entwicklungsbedarf gebe und wie es nach außen getragen werden könne.
Welche Vorteile die Gemeinwohlökonomie für Betriebe habe, erklärte Kerstin Trümper-Kumaus von der Regionalgruppe GWÖ Mangfalltal. Nicht nur, dass Kunden zunehmend für nachhaltig produzierte Produkte sensibilisiert seien. Wichtig sei auch: „Der gut ausgebildete Nachwuchs sucht sich Unternehmen, die seinen Bedürfnissen nach Arbeitskultur und Work-Life-Balance entsprechen.“ Beim derzeitigen Fachkräftemangel ist ein Betrieb damit schnell für Bewerber attraktiver.
[Merkur, 18.10.2022]