14 Jan

Kritik am Zugriff der Stadt

Die Immobilienwirtschaft übt Kritik an der Wohnungspolitik der Stadtregierung. Der Plan von Grün-Rot, dass Investoren bei Neubauvorhaben 50 Prozent der Flächen abtreten müssen, sei kontraproduktiv. OB Dieter Reiter (SPD) ist an einer zügigen Lösung zur Neufassung der sozialgerechen Bodennutzung (SoBoN) gelegen.

Zwischen der Immobilienwirtschaft und der grün-roten Stadtregierung zeichnet sich ein Streit über die Ausgestaltung der Regeln zur Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN) ab. Bekanntlich sieht der Koalitionsvertrag vor, dass Investoren künftig bei jeder größeren Wohnungsbauentwicklung 50 Prozent der Flächen an die Stadt abtreten müssen. Und zwar „zu einem Preis weit unter Wert“, wie der Ausschuss Immobilienwirtschaft des Wirtschaftsbeirates Bayern in einer Pressemitteilung beklagt. Die Stadt will diese 50 Prozent der Wohnungen dann durch kommunale Unternehmen und Wohnungsbaugenossenschaften errichten lassen.

Bisher liegt die Quote bei 40 Prozent. Das heißt, der Bauherr selbst hat 20 Prozent Sozialwohnungen zu errichten, zehn Prozent Wohnungen im München-Modell und zehn Prozent im preisgedämpften Mietwohnungsbau. Die restlichen Flächen kann er frei entwickeln. Die Immobilienverbände treibe die ernsthafte Sorge um, dass nach den Reformvorstellungen der Rathauskoalition der Wohnungsbau massiv heruntergefahren werde. Zumal auch der von den Bauträgern an die Stadt zusätzlich zu zahlende pauschale Infrastrukturbeitrag von 100 Euro je Quadratmeter auf 250 Euro angehoben werden soll.

„Unser aller Ziel ist es, mehr bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten zu bekommen“, sagt Dirk Brückner, Koordinator des Bündnisses der Immobilienwirtschaft. „Aber wenn die Grundstückseigentümer wegen eines zu geringen Preises nicht verkaufen, die Projektentwickler wegen zu hoher Infrastrukturabgaben und Bindungen nicht mehr entwickeln oder auf Gewerbebau ausweichen und die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften in ihren Baukapazitäten überreizt sind, wird am Ende nichts mehr gebaut.“ Dies verkehre die gute Absicht, mehr Wohnungen zu schaffen, ins Gegenteil.

Die Münchner Immobilienwirtschaft bietet Grün-Rot weitere Gespräche zur SoBoN an. In dem Bündnis haben sich der Bundesverband Freier Wohnungsunternehmen Bayern (BFW), Haus und Grund Bayern und München, der Immobilienverband Deutschland (IVD), der Immobilienausschuss Wirtschaftsbeirat Bayern (WBU) und der Zentrale Immobilien Ausschuss Süd (ZIA) zusammengeschlossen. Brückner warnt, bereits die bisherige SoBoN habe durch die notwendige Quersubventionierung zum starken Preisanstieg bei den nicht sozialgebundenen Wohnungen beigetragen, was noch zunehmen könnte, „wenn die Stadt 50 Prozent eines Grundstückes einfach wegnimmt“. Fraglich sei bisher auch, ab wann die Novelle in Kraft treten soll. Die letzte Änderung liege erst drei Jahre zurück.

OB Reiter erklärt auf Nachfrage unserer Zeitung, ihm sei an einem engen Austausch mit Vertretern der örtlichen Wohnungswirtschaft gelegen. Bereits diese Woche finde ein weiteres Gespräch statt. Es sei wichtig, so schnell wie möglich zu konkreten Lösungen für eine Neufassung der SoBoN zu kommen. „Die Zeit drängt, wir brauchen dringend mehr bezahlbare Wohnungen“, betont Reiter. Auch der SPD-Fraktionschef im Stadtrat, Christian Müller, pocht auf einen „vernünftigen Kompromiss mit der Immobilienwirtschaft“. Die Quote von 50 Prozent sei „kein Fetisch“. Hauptziel sei es, wesentlich mehr bezahlbare Mietwohnungen für die Münchner Bevölkerung zu schaffen – und lange preisliche Bindungen.

Diesen Aspekt hebt auch der Grünen-Stadtrat Bernd Schreyer hervor: „Die bisherigen SoBoN-Regeln hatten den Nachteil, dass die geförderten und preisgedämpften Wohnungen, die der Bauherr errichten musste, nur 25 bis 30 Jahre preislich gebunden waren.“ Das sei angesichts des Flächenmangels der Stadt und des Mangels an günstigen Mietwohnungen ein zu geringer Zeitraum – „auch in Hinblick auf die erheblichen Mittel, die die Stadt für die Wohnungsbauförderung aufwendet“. Nach den Worten Schreyers gibt es keinen Grund für die Befürchtung, dass der Wohnungsbau augrund der Novelle massiv heruntergefahren wird. Und er ist sich sicher: „Für Investoren besteht immer noch genügend Spielraum für eine attraktive Rendite.“

Der wohnungsbaupolitische Sprecher der CSU-Stadtratfraktion, Alexander Reissl, rät dazu, die Kritik der Immobilienwirtschaft ernst zu nehmen. Man sollte die Obergrenze für die SoBoN nicht überreizen. Außerdem sei es nicht sinnvoll, einen Kompromiss, der erst vor drei Jahren ausgehandelt wurde, „wieder in den Papierkorb zu schmeißen“.

[Merkur, 19.01.2021]

14 Jan

Treffpunkt inklusive Gipfelblick

Treffpunkt, Spiel- und Sportplatz, Erholungsort: Das junge Wohnquartier in der Maitz bekommt seine „Herzkammer“ – ein großzügiges, offenes Areal für alle Generationen. Es wird einen Hügel als „Schauinsland“ geben, Balancier-Stationen, Trampolins. Einen Wunsch der Bewohner, die bei der Gestaltung mitreden konnten, erfüllt die Gemeinde aber nicht.

Holzkirchen – „Treffpunkt und Grünland“, diese zwei Anforderungen formulierte 2017 ein Ortsentwicklungskonzept, als es um die Gestaltung des „Spielplatzes“ im Neubaugebiet Maitz am Holzkirchner Ortsrand ging. Erste Entwürfe legte das Rathaus im Sommer 2020 vor: Azize Özdemir, damals Werkstudentin, heute fest angestellt im Team der Bauleitplanung, komponierte auf 1000 Quadratmetern ein Miteinander-Areal für alle Altersstufen (wir berichteten).

Dem Gemeinderat gefiel’s. Doch was sagen die künftigen Nutzer, die Bewohner des jungen Quartiers? Im Herbst lud eine Rathaus-Delegation, unter anderem mit Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) und Planerin Özdemir, vor Ort zu einer Bürgerbefragung ein. Über 40 Kinder wohnen im Quartier, „und viele davon waren auch da“, berichtet Schmid.

Bei der Abstimmung darüber, welche Elemente gewünscht sind, zählte das Votum der Jugend sogar stärker als das der Erwachsenen. „Das Ergebnis war überraschend“, gesteht Schmid. Niemand wollte Schaukeln oder Sandkästen. „Viele haben das im eigenen Garten“, erfuhr der Rathauschef. Zudem sei klar geworden, dass es allzu viele Kleinkinder im Quartier gar nicht gibt. „Das sind hauptsächlich ältere Kinder über acht Jahre – und die wollen was Spannendes haben.“

Ganz oben auf die Wunschliste setzte die Jugend einen Scooter-Rundkurs mit Bodenwellen und Steilkurven. Scooter (Roller) könnten darauf sausen oder auch Inlineskates, Skateboards, Fahr- und Laufräder. Doch diesem Wunsch, der mit 120 Quadratmetern Asphalt verbunden gewesen wäre, verweigerte sich der Gemeinderat, als es jetzt darum ging, die endgültige Struktur festzuschreiben. „Wer mit Scooter oder Boards aktiv sein will, kann unsere Skater-Anlage am Bahnhof nutzen“, sagt Schmid, der betont: „Das wird in der Maitz auch kein Ballspielplatz.“ Deswegen blieb der Wunsch nach Basketballkörben unerfüllt.

Anstatt der Asphaltbahn entschied sich der Gemeinderat für einen Balancier- und Kletterpfad aus Robinienholz. „Das Thema Balancieren, Klettern, Turnen wurde auch von den Bewohnern nachgefragt“, berichtet Schmid. Zwei Bodentrampolins, eins mit barrierefreier Rampe, und ein Drehspiel ergänzen den Motorik-Sektor. Im nördlichen Teil ist ein Rückzugsort für Eltern mit Kleinkindern geplant, mit Spielhaus und Babyschaukel, abgegrenzt durch Sträucher.

Die nordwestliche Ecke, andockend an ein Trafo-Haus, ist als Erwachsenen-Bereich konzipiert. Ein Ort der Erholung und Begegnung soll hier unter einer Pergola entstehen. Eine Tischtennisplatte lädt Jung und Alt zu Bewegung ein. Der Vorschlag, stattdessen eine Workout-Fitness-Anlage zu bauen, fand bei den Anwohnern keine Resonanz.

Ein markanter Gipfel krönt das Areal. „Wer auf dem Spielhügel steht, schaut hinaus ins Grün der umliegenden Wiesen und Wälder“, sagt Schmid. Der Hügel mit längerer Hangrutsche kann im Winter sogar als Schlittenberg dienen.

„Grundsätzlich bietet das Areal viel Freiraum“, betont Schmid. Als Gliederung dient ein beleuchteter Weg, der den Balancier-Sektor abteilt. „Das wird ein Top-Spielplatz und schöner Treffpunkt.“ Getauft ist das Areal noch nicht, obwohl es schon Vorschläge gab – etwa Main-Platzl oder Maitzerl. „Ein Name wird sich irgendwann ergeben“, glaubt Schmid.

Gebaut wird die neue Maitz-Herzkammer in diesem Jahr. „Das ist unser Ziel“, sagt Schmid. Die Kosten für die vom Gemeinderat beschlossene Variante belaufen sich auf rund 175 000 Euro; die Scooter-Variante wäre um 15 000 Euro teurer gewesen. Ein Drittel der Baukosten zahlt das Rathaus, den Rest die Grundbesitzer, die 2015 bei der Bauland-Ausweisung profitiert haben. Das Grundstück stellt die Gemeinde. „Für diesen Quartier-Treffpunkt haben wir nicht an Fläche gespart“, betont Schmid. Bei freier Vermarktung, so schätzt der Rathauschef, wären 1,5 Millionen Euro zu erlösen gewesen.

[Merkur, 19.01.2021]