20 Nov

16 neue Wohnungen

Schlüsselübergabe für Mehrfamilienhäuser an Bad Wiesseer Dr.-Scheid-Straße

Bad Wiessee – Trotz Corona-Pandemie während der gesamten Bauzeit konnte der Zeitplan nahezu eingehalten werden: Mitte November waren die beiden neu errichteten Gemeindehäuser an der Dr.-Scheid-Straße 7 und 7a bezugsfertig. Es ist das dritte Projekt des über einigen Jahren gegründeten Kommunalunternehmens der Gemeinde Bad Wiessee. Vorangegangen waren der Bau des Mehrgenerationenhauses, ebenfalls an der Dr.-Scheid-Straße, und die Sanierung zweier Mehrfamilienhäuser an der Söllbachtalstraße.

Bei der symbolischen Schlüsselübergabe überreichte Bürgermeister Robert Kühn nun den ersten Mietern einen gewichtigen Schlüsselbund. „Wir sind mächtig stolz“, erklärte er mit Blick auf das Projekt und die Tatsache, dass die Häuser trotz erschwerter Lage nahezu plangemäß bezogen werden können: „Wo andere noch planen, haben wir unser drittes Projekt bereits fertig.“

Auch die Kosten bleiben im Rahmen: Rund 5,9 Millionen Euro hat das KU in den Bau investiert. Entstanden sind 16 barrierefreie Wohnungen mit gut 1200 Quadratmetern Wohnfläche – davon vier Zwei-Raum-Wohnungen und je sechs Einheiten mit drei beziehungsweise vier Zimmern. Jede Wohnung hat entweder eine Terrasse oder einen Balkon. Auch ein Lift sowie eine Tiefgarage mit 19 Stellplätzen und ein Fahrradkeller gehören dazu. lm Außenbereich gibt es für Bewohner eine gemeinsame Grünfläche mit Sitzbänken, Obstbäumen und Sträuchern. Zudem sollen auf der Westseite des Grundstücks Spielgeräte für Kinder aufgestellt werden. Beheizt wird mit einer pellet-Anlage. „Die Bauarbeiten sind ohne Schwierigkeiten abgelaufen“, sagte Architekt Daniel Pförtsch und hob die positive Zusammenarbeit mit der Gemeinde hervor, die sich als engagierter Bauherr gezeigt habe.

Angesichts des angespannten Wohnungsmarkts im Tegernseer Tal und der Region wurde das Angebot stark nachgefragt. Über 100 Bewerbungen auf eine der Wohnungen seien beim KU eingegangen, sagte Dagmar Milbrandt zuständig für die Hausverwaltung. Nicht zuletzt angesichts des Andrangs habe man einen Kriterienkatalog für die Auswahl erstellen müssen, erklärte KU-Chef Thomas Lange. So habe man berücksichtigt, wie lange ein Interessent schon im Ort oder im Tal lebt. Natürlich hätten auch die Höhe des Einkommens oder das Verhältnis von Wohnungsgröße zur Zahl der künftigen Bewohner eine wichtige Rolle gespielt. Das Verhältnis von Bedarf und Bestand werde wohl auch langfristig nicht ins Gleichgewicht zu bringen sein – trotz des Bestrebens, neue Wohnungen zu schaffen. Gleichwohl sei Bad Wiessee mit 186 gemeindeeigenen Wohnungen vergleichsweise gut aufgestellt. Wichtigstes Anliegen sei, nicht nur Gutverdienern, sondern auch Menschen aus der Mittelschicht ein Leben im Ort zu ermöglichen.

Bei den künftigen Bewohnern der beiden Häuser an der Dr.-Scheid-Straße habe man auf eine gute Auswahl, einen guten Mix, Wert gelegt, erklärten die Verantwortlichen. Insbesondere junge Familien mit Kindern und ältere, alleinstehende Personen hätten ein neues Zuhause gefunden, auch Menschen mit Handicap. 13 Parteien hätten schon zuvor im Ort gelebt, drei weitere seien aus anderen Talgemeinden hergezogen. „Wir bleiben nicht stehen, wir wollen noch mehr schaffen“, versicherte Kühn, denn schon stehen die nächsten Vorhaben auf der Agenda: Zuerst sollen die beiden Mehrfamilienhäuser an der Hagngasse abgebrochen und bis 2024 durch Neubauten mit mehr Wohnraum ersetzt werden. Außerdem steht die Sanierung der Ringbergsiedlung an. Es ist das älteste Objekt im Bestand.

[Das Gelbe Blatt, 20.11.2021]

10 Nov

Wohnprojekt bekommt Kümmerer

Otterfing – Bisher rang sich die Gemeinde nur zu Absichtserklärungen durch: Das Bauprojekt „Wohnen in Otterfing“, von dem besonders ältere Bürger profitieren sollen, es tritt auf der Stelle. Jetzt ist frischer Wind angesagt: Ein „Quartiersmanager“ soll das Konzept mit Leben füllen und anschieben. Der Gemeinderat beschloss einstimmig, eine Teilzeitstelle auszuschreiben und ab 1. Januar zu besetzen. Die Entscheidung fiel nicht schwer, da ein Förderprogramm des Freistaats fast die kompletten Personalkosten abdeckt.

Der Hinweis auf den Fördertopf stammt von Sabine Wenng, die für das bayerische Sozialministerium die „Koordinationsstelle Wohnen im Alter“ leitet und sich Anfang 2020 im Gemeinderat vorgestellt hatte. Wenng empfahl, frühzeitig einen Quartiersmanager ins Boot zu holen, um schon bei der Projektplanung und bei der konkreten Bedarfsanalyse professionelle Unterstützung im Haus zu haben (wir berichteten).

„Die Hauptaufgabe der neuen Stelle wird sein, unser Mehrgenerationen-Wohnen auf den Weg zu bringen“, betonte Bürgermeister Michael Falkenhahn (SPD) auf Anfrage. Zudem soll der oder die Manager(in) nicht nur das Wohnprojekt begleiten, sondern die sozialen Anbieter in der Gemeinde vernetzen, koordinieren und bei Bedarf für sie als Türöffner fungieren bei Behörden oder Förderstellen. „Ein offenes Ohr für soziale Belange in der Gemeinde“ solle der oder die Bewerber(in) mitbringen, wünscht sich Falkenhahn, „und vielleicht hat sie oder er ja eigene Ideen mit dabei“. Wie Rathaus-Geschäftsleiter Markus Stark in der Sitzung erklärte, gibt es in der Region bisher kaum solche fest angestellten Quartiersmanager: „Otterfing ist da eine Art Vorreiter.“

Bereits zum 1. Januar soll die Teilzeitstelle (50 Prozent) besetzt sein. Bewerben können sich Frauen und Männer, die Erfahrungen aus dem Bereich Soziale Arbeit mitbringen, etwa Diplom- oder Sozialpädagogen. Finanziert wird die neue Stelle zum Großteil aus dem staatlichen Förderprogramm „Selbstbestimmt Wohnen im Alter“. Vier Jahre lang gibt es je 20 000 Euro vom Freistaat, insgesamt also 80 000 Euro. Die Gemeinde selbst hat jährlich nur 2000 Euro beizutragen.

Das Ausschreibungsverfahren läuft. Wie Stark erklärte, sind feste Zusagen aber erst möglich, wenn die Förderung verbrieft ist. Zunächst ist die Anstellung auf vier Jahre angelegt. Ob der Gemeinderat darüber hinaus einen Quartiersmanager wünscht, der dann wohl ohne Zuschüsse zu finanzieren wäre, bleibe abzuwarten, sagte Falkenhahn: „Ich halte es für fair, den Bewerbern gleich zu sagen, dass es keine Garantie für eine Weiteranstellung nach den vier Jahren gibt.“

Schon seit Jahren versucht die Gemeinde, ein Wohnprojekt zu verwirklichen, das auf die Bedürfnisse von Senioren abgestimmt ist. Da hohe staatliche Zuschüsse winken, war angedacht, dies im Rahmen des kommunalen Wohnungsbaus zu realisieren. Als Standort war zunächst die gemeindeeigene Thoma-Wiese in der Ortsmitte auserkoren. Anfang 2020 beschloss der Gemeinderat dann, zehn der angedachten 25 Einheiten an junge Otterfinger zu vergeben und beim Standort nicht mehr nur auf die Thoma-Wiese fixiert zu sein.

[Merkur, 10.11.2021]

03 Nov

Quadratmeter sind die neue Währung am Arbeitsmarkt

Wirte, Kliniken, Stadtwerke: Viele Branchen tun sich schwer, Fachkräfte in die Region zu locken. Werkswohnungen sind ein Argument

München – Die neue Währung auf dem Arbeitsmarkt heißt Quadratmeter. Nicht nur Busunternehmer, auch viele andere Branchen sind von den hohen Mieten betroffen. Besonders Gastronomie und Pflege suchen händeringend nach Fachkräften.

Thierry Willems ist Chef des Bräustüberls Weihenstephan in Freising. Ihn schreckt der Personalmangel mehr als die Immobilienpreise. „Ich habe in Freising eine Wohnung für 600 000 Euro gekauft und 45 000 Euro in den Ausbau investiert“, berichtet er. Die Wohnung ist nicht für leitende Angestellte gedacht, sondern für Restaurantfachkräfte. Kräfte, an denen es mangelt. „Ich kriege keine guten Leute mehr“, stellt Willems fest, „zumindest nicht hier vor Ort.“

Deshalb sucht er seine Fachleute im Ausland. In Frankreich und Tschechien beispielsweise. Aber die können sich die hohen Mieten in München nicht leisten, denn die Gehälter seien in der Branche naturgemäß knapp kalkuliert, sagt Willems. „Damit ich den Leuten mehr zahlen kann, müsste ich mehr verlangen – und über 20 Euro für ein Schnitzel wird kaum ein Gast bezahlen.“

Deshalb verlangt der Restaurant-Chef von seinen Mitarbeitern nur einen Teil der ortsüblichen Miete. Denn nur mit Fachkräften funktioniere das Geschäft. Die Investitionen in die Wohnung, eine weitere auf dem TUM-Gelände und vier Zimmer im Bräustüberl sind für Willems’ Geschäft überlebenswichtig: „Andere Wirte hatten Personalmangel und konnten den Aufschwung nicht mitnehmen“, sagt Willems. Er bedauert, mit so harten Bandagen um seine Mitarbeiter kämpfen zu müssen. „Nicht alle Betriebe haben das Volumen, nebenher noch Immobilien kaufen zu können.“

Den Kampf um Fachkräfte ficht auch Frank Niederbühl, Geschäftsführer des Klinikums Garmisch-Partenkirchen. „Wir haben jetzt schon über 200 Wohneinheiten, aktuell bauen wir 19 dazu“, erklärt er. Gemeint ist ein Projekt im 3200-Seelen-Ort Ohlstadt. Hier hat das Klinikum das Alpenhotel gekauft und baut die Zimmer zu Wohnungen aus. Kostenpunkt allein für die Sanierung: 4,5 Millionen Euro. Erlös: gerade einmal etwa zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Für Niederbühl ist das aber alternativlos. „Wir brauchen vor allem gute Pflegekräfte und die können sich das Wohnen in der Region sonst nicht leisten.“ Da würden auch höhere Löhne nichts helfen: „Selbst wenn man auf dem Mietmarkt konkurrieren kann, gibt es trotzdem zu wenig Wohnraum“, sagt er. Trotz aller Mühe kann nur ein Teil der 1500 Klinikmitarbeiter eine der 230 Wohnungen beziehen. „Wir versuchen deshalb, die Wohnungen befristet zu vermieten und damit vor allem den neuen Leuten das Ankommen zu erleichtern“, erklärt der Klinik-Chef.

Ähnlich ist die Situation bei der München Klinik, zu der die Kliniken Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, Schwabing und Thalkirchner Straße gehören. „Wer in und für München arbeitet, soll hier auch gut mit seiner Familie leben können. Bezahlbarer Wohnraum für Mitarbeiter war für uns deshalb immer ein vordringliches Thema“, sagt Dr. Axel Fischer, Chef der München Klinik. Man habe derzeit Bezugsrechte für rund 1000 Wohnungen im Stadtgebiet, biete Unterstützung bei der Wohnungssuche sowie temporäre Personalunterkünfte. Besonders im Pflegebereich müsse die Klinik ein arbeitsplatznahes Wohnen erleichtern. So sind am Standort Schwabing 132 Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen für Pflegepersonal geplant. Daneben setzt die München Klinik auf weitere Bonbons: vergünstigte MVV-Tickets, Werbeprämien für Mitarbeiter, Wiedereinstiegs-Angebote für Berufsrückkehrer, Betriebsrente, flexible Arbeitszeit- und Kinderbetreuungsangebote sowie Fortbildungen. Außerdem bildet das Klinikum selber Pflegenachwuchs aus.

Bei den Stadtwerken München, zu denen auch die Verkehrsgesellschaft MVG mit ihren Bussen, Tram- und U-Bahnen gehört, setzt man schon seit Jahren wieder auf Werkswohnungen, denn auch hier fehlt Personal – besonders Fahrer im Nahverkehr. Bis 2030 wollen die Stadtwerke über rund 3000 Werkswohnungen verfügen.

Auch die öffentliche Hand investiert. So entstanden im September in Putzbrunn im Kreis München 76 Wohnungen. Träger ist das Landratsamt München. Mit zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter wollen der Landkreis und die Gemeinde Fachkräfte anlocken. Dabei sind 54 Wohnungen für Mitarbeiter des Landratsamtes gedacht, 22 für Gemeindemitarbeiter und Bürger. Insgesamt kostet das von Bund, Landkreis und Gemeinde finanzierte Projekt 29 Millionen Euro.

[Merkur, 03.11.2021]

03 Nov

Ja zum nächsten Schritt

Holzkirchen: Wohnquartier Winkelbauer-Höfe geht in Auslegung

Holzkirchen – Mit zwei Gegenstimmen haben die Holzkirchner Marktgemeinderäte kürzlich die vorzeitige Auslegung des vorhaben bezogenen Bebauungsplans Nr. 151 zwischen Valleyer Weg und Angerstraße gebilligt und die Öffentlichkeits- sowie Behördenbeteiligung gestartet. Die Stellplatzreduktion um 45 Prozent für die geplanten 64 Wohneinheiten hat allerdings noch einen juristischen Pferdefuß.

Dem Beschluss gingen eine vom Kolbermoorer Familienunternehmen Quest AG als Bauherr in Eigeninitiative gestartete Bürgerbeteiligung und Expertengespräche zu dem städtebaulichen Konzept voraus. Die Kritikpunkte aus früheren Sitzungen des Marktgemeinderats, wonach die fünf Baukörper zu groß und mächtig ausfallen, wurden vom Bauherrn aufgenommen. Um eine verträgliche Dichte zu erreichen, hat die Quest AG den ursprünglichen Entwurf geändert und die Gebäude kürzer und schmaler geplant. Ebenso wurden die privaten Freiflächen verkleinert, um gemeinschaftlichen Flächen mehr Platz einzuräumen. Auch wurden die von der Verwaltung geforderten Anpassungen der Straßenbreiten in den neuen Entwurf eingearbeitet.

Um eine baukostensparende Reduktion der Stellplätze zu ermöglichen, wurde ein Mobilitätskonzept vorgelegt, das im Schwerpunkt auf fünf Car-Sharing-Autos sowie Lastenräder, Pedelecs und Fahrradanhänger zum Leihen sowie einem Dreirad für mobilitätseingeschränkte Personen basiert. Die ursprünglich angedachte Reduktion von 55 Prozent kappten die Gemeinderäte um 10 Prozent weil der Plan, dass eine entsprechende Anzahl der Wohnungseigentümer eine Autoverzichtserklärung unterschreiben sollen, juristisch nicht möglich sei. Nach aktueller Berechnung ergeben sich einschließlich der Car-Sharing-Parkplätze 59 Stellplätze, wovon 51 in Tiefgaragen verschwinden.

Überwiegend und fraktionsübergreifend fand die Planung positives Echo. Deutliche Kritik kam allerdings von Josef Sappl sen. (CSU). Zwar hob auch er die gute Zusammenarbeit mit dem Bauherrn heraus. Allerdings sei das Grundstück das falsche. Zum einen monierte er, dass den Nachbarn durch die massive Bebauung die Sonne genommen werde, zum anderen äußerte er Zweifel, dass die Erschließung über den Bahnübergang am Valleyer Weg ausreichend sei. Zum Bahnübergang entgegnete Bürgermeister Christoph Schmid, dass dazu Untersuchungen gemacht wurden und die Blaulichtorganisationen involviert waren. Ergänzend meinte der Rathauschef: „Die Bürger, die dort wohnen, wissen sehr wohl, wann die Schranke zu ist, und sie haben sich darauf eingestellt.“ Den weiteren Einwand Sappls, die geplanten Parkplätze seien alleine schon in Anbetracht des zu erwartenden Liefer- und Handwerkerverkehrs zu wenige, konnte Schmid indes nicht ganz entkräften. Weil das Schwert der Autoverzichtserklärung derzeit eher stumpf ist und nur auf dem guten Willen der neuen Bewohner basiert, hofft Schmid: „Es gibt viele Menschen, die den Autoverzicht ganz bewusst leben wollen und wir sind guter Dinge, dass genau die dort einziehen werden.“

[Das Gelbe Blatt, 03.11.2021]

03 Nov

„Ohne Werkswohnung kriege ich keine Fahrer“

Zur Freude von Pendlern und Klimaschützern setzt der Münchner Verkehrsverbund immer mehr Busse ein. Für die Fahrer selbst ist die Metropolregion jedoch unattraktiv geworden – vor allem wegen der hohen Mieten. Bei einem Busunternehmer heißt es deshalb: Biete Tariflohn und Apartment.

Schlacht – Alles drängt nach München. Nirgends haben so viele Dax-Konzerne ihren Sitz, auch Microsoft hat hier seine Deutschland-Zentrale. Und die Universitäten sowie die Nähe zu den Bergen, Österreich und Italien locken. Die Schattenseite: Die Mieten sind in den letzten zehn Jahren um mehr als 60 Prozent gestiegen. Für viele Angestellte lohnt es sich kaum noch, in und um München zu arbeiten, wenn woanders vergleichbare Löhne gezahlt werden. Arbeitgeber in der Metropolregion, die das nicht über den Lohn ausgleichen können, haben arge Probleme, Personal zu finden – und setzen deshalb auf ein schon tot geglaubtes Konzept: die Werkswohnung.

„Anders bekomme ich keine Leute mehr“, sagt zum Beispiel Josef Ettenhuber aus dem Landkreis Ebersberg. Er ist Busunternehmer und bedient mit 132 Bussen Linien des Münchner Verkehrsverbunds (MVV). 132 Busse bedeutet jede Menge Fahrer. Und die sind am engen Markt kaum noch zu finden. Ettenhuber bereitet das Kopfzerbrechen. Einfach mehr Gehalt zahlen, das könne er nicht, erklärt er. „Die Linien werden vom MVV ausgeschrieben – und der Anbieter mit dem günstigsten Angebot erhält den Zuschlag.“ Dabei gebe es nur wenig Spielraum, denn der Verkehrsverbund setze den Tarifabschluss im privaten Omnibusgewerbe voraus.

Josef Ettenhuber hat 4 Mio. Euro investiert

Eigentlich sind Tarifverträge für Arbeitnehmer ein Vorteil, den Haken daran beschreibt Ettenhuber so: „Der Tarif wird für ganz Bayern ausgehandelt. Das heißt: In Zwiesel in Niederbayern gilt dasselbe wie in München.“ Laut dem Immobilienportal „Immowelt“ ist eine Münchner Wohnung oft kaum unter 20 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter zu haben – im niederbayerischen Zwiesel bekommt man für ein Drittel des Preises eine Wohnung. Das MVV-Land sei wegen der Lebenshaltungskosten für auswärtige Fahrer unattraktiv, sagt Ettenhuber: „Sie bekommen niemanden aus Deutschland, weil alle Verkehrsbetriebe händeringend Fahrer suchen. Da zieht niemand nach München.“ Die Fahrer könnten sich als ausgebildete Fachkräfte Ansprüche erlauben. Die Lösung für viele Betriebe sind Fahrer aus Osteuropa. „Wir bekommen viele Leute aus Kroatien, Rumänien und Serbien. Die arbeiten oft nur eine gewisse Zeit hier, verdienen ihr Geld und gehen dann in ihr Heimatland zurück“, sagt Ettenhuber. Dafür muss der Unternehmer aber in Vorleistung gehen. „Die Fahrer wollen das verdiente Geld ja nicht für die Miete ausgeben, sondern mit zu ihren Familien nehmen.“

Josef Ettenhuber und seine zwei Brüder haben deshalb investiert, allein rund vier Millionen Euro für Apartments direkt neben der Firmenzentrale im Glonner Ortsteil Schlacht im Kreis Ebersberg. „Früher hatten wir Container“, erklärt Ettenhuber, während er über den Firmenhof auf das Haus am Rande des Grundstücks zugeht. Ein dreistöckiger Neubau für 40 Parteien, in dem ein Teil seiner Fahrer wohnt.

Ein Apartment kostet 450 Euro Miete – warm

Einer ist Claudiu-Emanuel Acsinciuc. Der 48-jährige Rumäne war im Juli der erste Mieter im neuen Haus. „Es ist wie in einem Hotel“, sagt er zufrieden. Sein Zimmer ist bescheiden, aber hochwertig. Beheizter Steinboden in Holzoptik, ein Bett und ein Tischchen, auf dem eine Mikrowelle und eine Kaffeemaschine stehen. Zwei Türen führen in Küche und Badezimmer, die sich Acsinciuc mit seinem Nachbarn teilt.

Die Räume wirken anonym, aber modern und sauber. Tritt Acsinciuc auf den Balkon, sieht er das Nachbarhaus, ein Bau aus den 1970ern, in dem ebenfalls Mitarbeiterapartments sind. Davor steht ein überdachter Freisitz, auf dem die Fahrer gerne beisammen sind. Ansonsten gibt es in Schlacht nicht viel: ein Café, einen Hofladen – und viel Natur. Acsinciuc reicht das: „Ich gehe aus der Tür und bin bei meinem Bus – das spart mir jeden Tag viel Zeit und Geld.“

Der Rumäne zahlt 450 Euro Miete. Warm. Das kostet jedes von Josef Ettenhubers Zimmern. Für Acsinciuc ist das ein guter Handel, denn so kann er selbst bestimmen, wie viel ihm von seinem Tariflohn bleibt. Der Tarif, das sind je nach Berufserfahrung zwischen 2205,95 und 2404,81 Euro brutto.

Josef Ettenhuber betont: „Es müsste für den Tarif einen München-Zuschuss geben, damit die Arbeit auch hier attraktiv bleibt.“ Denn während der MVV seine Takte zur Freude der Pendler verstärkt, brauchen die Busunternehmer immer mehr Fahrer, um die zusätzlichen Busse zu besetzen. „Und langsam kommen sie nicht mehr von alleine. Ich überlege gerade, ob ich es mit Facebook-Werbung versuchen soll.“

Langfristig komme ein weiteres Problem dazu: „Die Apartments sind ja nicht darauf ausgelegt, von einer Familie bewohnt zu werden“, sagt der Busunternehmer. Zwar seien seine Mietverträge unbefristet, aber im Grunde nur als Starthilfe gedacht: „Wer dauerhaft hier arbeiten will, sollte sich schon irgendwann etwas Eigenes suchen, damit der nächste Fahrer einziehen kann.“ Doch dann wird das MVV-Gebiet für viele wieder unrentabel.

[Merkur, 03.11.2021]