29 Dez

Gegen Grundsteuer C

Hubert Aiwanger, bayerischer Wirtschaftsminister.

München – Die auch aus der CSU immer wieder geforderte Einführung der Grundsteuer C wird es mit den Freien Wählern als Teil der Staatsregierung nicht geben. „Es ist keine Politik für den Freistaat Bayern, Grundstückseigentümer durch halsabschneiderisch hohe Grundsteuern zum Grundstücksverkauf zu nötigen. Die Freien Wähler werden diese falschen Tendenzen in Bayern auch weiterhin nicht mittragen“, sagte Parteichef Hubert Aiwanger am Mittwoch in München. Er erteilte damit der Forderung von Gemeindetagspräsident Uwe Brandl (CSU) eine klare Absage.

Die Grundsteuer C bezieht sich auf unbebaute, aber baureife Grundstücke. Die Eigentümer sollen durch die in einigen Bundesländern ab 2025 erhobene Abgabe animiert werden, ihre Grundstücke zu bebauen. So sollen Wohnraum geschaffen und Grundstücksspekulationen verhindert werden. In Bayern gibt es diese Steuer jedoch nicht.

Brandl, der zum Jahreswechsel das Amt des Präsidenten des Deutschen Städte- und Gemeindebundes übernimmt, hatte die Wiedereinführung der Grundsteuer C gefordert: „Dann würde sich jeder Grundstückseigentümer überlegen, ob es nicht besser wäre, das Grundstück zu verkaufen, anstatt Jahr für Jahr eine Steuer auf den unbebauten Grund zu zahlen“, sagte er unserer Zeitung.

„Eigentumsfeindliche Politik führt zu weniger Wohnraum“, sagte dagegen Aiwanger. Es verwundere, wenn Brandl mit dem „historischen Rohrkrepierer“ Baulandsteuer/Grundsteuer C um die Ecke komme.

[Merkur, 29.12.2022]


Was ist die Grundsteuer C?

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/faq-die-neue-grundsteuer.html#doc76948e0c-522b-4df4-9b7e-e445585635a6bodyText8

29 Dez

2000 Wohnungen in Bayern werden nicht gebaut

München – Die bayerischen Wohnungsunternehmen streichen im kommenden Jahr wegen hoher Kosten und unsicherer Förderung den Neubau von 2000 Wohnungen. Das ist ein knappes Fünftel (19 Prozent) der ursprünglich für die kommenden beiden Jahre geplanten Neubauprojekte, wie der Verband bayerischer Wohnungsunternehmen mitteilte. Darüber hinaus sind auch 1500 Modernisierungen auf Eis gelegt.

Verbandsdirektor Hans Maier sprach von einer „toxischen Gemengelage“ für die Wohnungswirtschaft. „Teure Baukosten, steigende Zinsen und eine unzureichende Förderung für den Wohnungsbau führen zu einem starken Rückgang der Investitionen.“ Die Zahlen basieren auf einer verbandsinternen Umfrage unter den 495 Mitgliedsunternehmen, zum Großteil Genossenschaften und kommunale Gesellschaften.

Gerade für die sozial orientierten Verbandsmitglieder mit ihren niedrigen Mieten sei der Wohnungsbau derzeit wirtschaftlich nicht machbar, sagte Maier. Demnach wollen 41 Prozent der befragten Unternehmen ihre Investitionen im kommenden Jahr reduzieren.

Nach Maiers Worten wird neben dem sozialen Wohnungsbau auch die Energiewende im Gebäudesektor in Mitleidenschaft gezogen. „Bei den gestrichenen 1500 Sanierungsmaßnahmen handelt es sich fast ausschließlich um Projekte der energetischen Sanierung zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes“, sagte der Verbandsdirektor.

Auch die deutsche Bauwirtschaft insgesamt warnt vor einem Einbruch im Wohnungsbau und fordert Unterstützung von der Politik. In früheren Krisen wie der Corona-Pandemie und der globalen Finanzkrise habe es große staatliche Investitionen der Bundesregierung gegeben. „Wann, wenn nicht jetzt will die Politik in den Bau investieren?“, sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des deutsches Baugewerbes (ZDB).

Seit 2015 sei die Bevölkerung in Deutschland im Saldo um rund drei Millionen Menschen gewachsen, davon viele aus Syrien, Afghanistan und der Ukraine. Sie alle bräuchten Wohnraum. In dieser Situation habe das Wirtschaftsministerium die KfW-Neubauförderung für 2023 drastisch auf eine Milliarde Euro verringert.

[Merkur, 29.12.2022]

28 Dez

Wohnungen immer knapper

Neubau eingebrochen – Kommunen für Steuer auf freien Grund

München – Wohnraum wird nach Einschätzung von Volkswirten der Deutschen Bank immer knapper. „Die fundamentale Angebotsknappheit ist womöglich größer als jemals zuvor“, heißt es im Papier „Ausblick Deutschland – Neue Globale Realitäten“ des Instituts. Die Zahl der Einwohner könnte bis 2030 auf 86 Millionen steigen und der Neubau sei eingebrochen. „Wir erwarten für das Jahr 2023 nur noch 246 000 fertiggestellte Wohnungen.“ Der Fachkräftemangel verschärfe sich, Baukosten dürften zulegen, auch wegen gestiegener Zinsen. „Daher ist es fraglich, ob unter diesen Vorzeichen nach dem Jahr 2023 mehr als 300 000 Wohnungen gebaut werden.“

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte Mitte Dezember eingeräumt, dass die Ampel-Koalition ihr Ziel von 400 000 neuen Wohnungen im Jahr 2023 verfehlen wird.

Der künftige Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl, hält das Erreichen des Ziels auch in den kommenden Jahren für unrealistisch. „Wer permanent Hürden aufbaut bei der Schaffung von neuem Wohnraum, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob die 400 000 Wohnungen ein ernst gemeintes Ziel sind oder nur eine Placebo-Ankündigung“, sagte Brandl unserer Zeitung. Die Staatsregierung in München forderte er auf, die Grundsteuer C wieder einzuführen. „Dann würde sich jeder Grundstückseigentümer überlegen, ob es nicht besser wäre, das Grundstück zu verkaufen, anstatt Jahr für Jahr eine Steuer auf den unbebauten Grund zu zahlen“, sagte Brandl. Wären die Grundstücke auf dem Markt, könnten in Bayern „in kürzester Zeit“ zehntausende Gebäude entstehen.

[Merkur, 28.12.2022]

22 Dez

„Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig“
INTERVIEW – Holzkirchens neue Marktbaumeisterin erklärt, worauf sie den Fokus ihrer Arbeit legt

Holzkirchen – Sieben Monate nachdem Florens Hintler seinen Job als Marktbaumeister an den Nagel gehängt hat (wir berichteten), hat die Gemeinde Holzkirchen eine Nachfolgerin gefunden: die Architektin Karolina Holzbach. Die 39-Jährige wuchs in Moosburg an der Isar im Kreis Freising auf, studierte an der Hochschule München und arbeitete zuletzt bei Lang Hugger Rampp Architekten in München. Das Büro ist spezialisiert auf ressourcenschonendes Bauen, und auch als Marktbaumeisterin will Holzbach den Fokus auf Nachhaltigkeit legen, wie sie im Interview erklärt.

Frau Holzbach, Sie sind seit Anfang November Marktbaumeisterin. Wie waren Ihre ersten Wochen?

Ich wurde sehr herzlich aufgenommen, die Kolleginnen und Kollegen sind alle sehr hilfsbereit. Mir ist es am Anfang erst einmal wichtig, das Team, die Arbeitsabläufe und die aktuellen Projekte kennenzulernen. Dies war der Schwerpunkt der zurückliegenden Wochen.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist ein großes Thema in Holzkirchen. Haben Sie gleich eine Wohnung gefunden?

Ich wohne mit meiner Familie bereits seit fünf Jahren in Holzkirchen. Wir hatten damals Glück und haben etwas gefunden. Aber bezahlbarer Wohnraum ist ein wichtiger Punkt, der betrachtet werden muss.

Ihr Vorgänger Florens Hintler hat das Gesicht Holzkirchens geprägt. Wie groß sind die Fußstapfen, in die Sie treten?

Die von Herrn Hintler angestoßenen Projekte und Konzepte – unter anderem zur Ortsentwicklung und Mobilität – bilden den Rahmen für die zukünftige räumliche und strukturelle Gesamtentwicklung von Holzkirchen. Diese Projekte werde ich natürlich fortführen. Aber ich möchte auch meine eigenen Ideen und Vorstellungen einbringen und umsetzen. Als Bürgerin von Holzkirchen konnte ich in den vergangenen fünf Jahren einen „Blick von außen“ auf die Ortsentwicklung werfen. Nun habe ich die Möglichkeit, mich aktiv in die Weiterentwicklung des Ortes einzubringen. Das finde ich sehr spannend, ist aber natürlich auch eine große Herausforderung. Wichtig finde ich auch, dass jeder Einzelne im Team des Bauamts beziehungsweise der Verwaltung zur Entwicklung von Holzkirchen beiträgt. Ich bin mir sicher, dass es uns gemeinsam gelingt, die Ortsgestaltung zu verbessern und voranzutreiben.

Worauf werden Sie den Fokus Ihrer Arbeit legen?

Nach knapp einem Monat kann ich genaue Schwerpunkte noch nicht definieren. Sehr wichtig sind mir auf jeden Fall die Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit der Projekte. Das heißt, bei zukünftigen gemeindlichen Bauvorhaben wird durch die Erstellung eines ökologischen Kriterienkataloges eine ökologische Bauweise priorisiert.

Welche Projekte wollen Sie fortführen?

Im Markt Holzkirchen gibt es bereits viele gute Konzepte und Projekte. Beispielsweise zur Verbesserung der Attraktivität der Münchner Straße, zur Gestaltung des Bahnhofs oder des Marktplatzes als Herzstück der Gemeinde. Diese werden wir nun Stück für Stück umsetzen. Bezahlbarer Wohnraum ist ein weiterer wichtiger Punkt. Nicht zu vergessen ist auch die Weiterentwicklung der umliegenden Ortsteile.

Holzkirchen ist als Straßendorf kein leichtes Pflaster für Gestalter. Wie lässt sich die Aufenthaltsqualität verbessern?

Spontan fällt mir eine Art grüne Linie ein, damit eine neue Raumwirkung entsteht und das Ortsbild belebt wird. Zudem sollte die Straße nicht mehr nur eine zweckmäßige Aufgabe erfüllen, sondern muss als Freiraum das Bild des Ortes neu prägen. Bereits mit kleinen Maßnahmen kann die Umgebung einen gänzlich neuen Eindruck vermitteln. Dies möchte ich gern aufzeigen und damit zu einer verbesserten Aufenthaltsqualität beitragen.

Was meinen Sie mit „grüner Linie“?

Damit ist gemeint, mehr Grün in die Straßen der Gemeinde zu bringen. Zu den Möglichkeiten wurde bereits ein Konzept in Auftrag gegeben, das allerdings noch nicht vorliegt.

Sie haben bisher in Architekturbüros gearbeitet. Wie finden Sie sich als Kreative in der öffentlichen Verwaltung zurecht?

Die Abläufe einer Verwaltung unterscheiden sich schon stark von denen in einem klassischen Architekturbüro. Dort lagen meine Aufgaben im organisatorischen, gestalterischen und vorwiegend im planerischen Bereich. Allerdings denke ich, dass ich mich durch meine Flexibilität und meine Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber schnell zurechtfinden und an neue Aufgaben anpassen kann.

Was reizt Sie besonders an Ihrer neuen Aufgabe als Marktbaumeisterin von Holzkirchen?

Die Aufgaben der Marktbaumeisterin sind unglaublich vielfältig, das reizt ungemein. Außerdem möchte ich an der Gestaltung der Marktgemeinde aktiv mitwirken. Dabei sind mir der sensible Umgang mit der Bau- und Gestaltungsqualität und die Fortentwicklung des Ortes besonders wichtig.

Das Gespräch führte
Bettina Stuhlweißenburg

[Merkur, 22.12.2022]

18 Dez

Wohnungsnot im Dorf: Helfen neue Regeln von Bund und Freistaat?

Mehr als 200 bayerische Kommunen gelten seit kurzem als „Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt“ – darunter viele kleine Gemeinden. Sie haben nun neue Möglichkeiten im Kampf gegen Wohnungsnot. Doch Bürgermeister in betroffenen Orten sind skeptisch.

Zweieinhalb Zimmer umfasst die Wohnung von Eva Stadtelmeyer und Jan von Wietersheim. Bald wollen sie heiraten, eine Familie gründen. Sie suchen nach einem freien Grundstück oder einem Haus, das sie renovieren könnten, am liebsten in ihrem derzeitigen Wohnort Wiesenbronn bei Kitzingen. Doch bislang sind sie nicht fündig geworden. „Es ist schon schwierig für Leute, die hier wohnen bleiben wollen, eine Wohnung oder ein Haus zu finden“, sagt Jan von Wietersheim.

Wiesenbronn gilt offiziell als „Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt“ – zusammen mit 207 weiteren bayerischen Städten und Gemeinden.

Mehr als 200 „Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt“

Die Einordnung der „Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt“ hat der Freistaat Bayern vorgenommen. Gemeint sind damit Kommunen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. So steht es in der entsprechenden „Gebietsbestimmungsverordnung Bau“. Die Bayerische Staatsregierung hat sie im September 2022 beschlossen.

Die Gebiete wurden anhand verschiedener statistischer Daten ermittelt. Was dabei überrascht: Jede zehnte bayerische Kommune ist aufgeführt und neben Großstädten zahlreiche Gemeinden im ländlichen Raum. Der Großteil davon liegt in der Nähe von Ballungszentren wie München, Augsburg oder Nürnberg. Das Bayerische Bauministerium spricht von „Übersprungseffekten“. In der Liste befinden sich aber auch Orte wie Sankt Englmar in Niederbayern – oder eben Wiesenbronn in Unterfranken.

Erschlossene Grundstücke stehen leer

Dort am Fuße des Steigerwalds versuchen Eva Stadtelmeyer und Jan von Wietersheim nun bereits seit zwei Jahren fündig zu werden. Dabei gibt es in der Gemeinde mit etwa 1.100 Einwohnern durchaus möglichen Wohnraum. Zehn erschlossene Grundstücke stehen leer. Mehrere Gebäude sind unbewohnt. Um die 15 Besitzer hat das Paar bereits angesprochen. Keiner wollte verkaufen. „Die Grundstücke sind sicheres, ruhendes Kapital“, sagt Jan von Wietersheim. Er kann die Eigentümer verstehen.

Stattdessen in einem anderen Ort auf die Suche gehen will das Paar aber nicht. Beide engagieren sich im Vereinsleben. Er ist Kommandant der Feuerwehr, sitzt parteilos im Gemeinderat. „Es wäre schade, wenn wir hier nichts finden“, sagt Eva Stadtelmeyer.

Wohnungsnot im ländlichen Raum angekommen

Das junge Paar schildert am Beispiel Wiesenbronn ein Problem, das in der Bundes- und Landespolitik bekannt ist. Wohnungsnot ist kein ausschließliches Phänomen der Ballungsräume mehr. Sie ist offiziell im ländlichen Raum angekommen.

Grundlage für die Verordnung des Freistaats ist das Baulandmobilisierungsgesetz. Der Bundestag hatte es im Mai 2021 verabschiedet. Das Gesetz soll Kommunen ermöglichen, zum Beispiel Baulücken und brachliegende Flächen einfacher als bislang nutzen zu können.

Den mehr als 200 Gemeinden, denen der Freistaat einen „angespanntem Wohnungsmarkt“ bescheinigt, stehen dadurch neue Instrumente zur Verfügung. Zum Beispiel sollen Aufstockungen von Wohngebäuden schneller genehmigt werden können. Außerdem können die Gemeinden ein sogenanntes Vorkaufsrecht geltend machen. Werden Brachflächen verkauft, dürfen sie als erstes zugreifen.

„Bayern ist ein Flächenstaat. Wir können also nicht nur die Situation in München anschauen, sondern müssen den ganzen Freistaat in den Blick nehmen“, wurde Bayerns Bauminister Christian Bernreiter (CSU) beim Beschluss der Verordnung zitiert. Doch in betroffenen Kommunen im ländlichen Raum rufen die neuen Möglichkeiten auch Skepsis hervor.

Bürgermeister: Erweitertes Vorkaufsrecht nutzt nichts

„Das Vorkaufsrecht bringt mir eigentlich nichts, weil die Besitzer wollen nicht verkaufen“, sagt Jürgen Schulz (parteilos), Bürgermeister in Abtswind. Der Ort liegt wenige Kilometer von Wiesenbronn entfernt. Auf einer Gemeindekarte hat Schulz mit rotem Textmarker mehrere Grundstücke markiert. Sie sind seit Jahren erschlossen, werden aber weder bebaut noch verkauft. 16 Stück, in einer Kommune mit gerade einmal 800 Einwohnern. Besitzer heben Bauplätze für ihre Kinder oder Enkel auf, sagt Schulz.

Ähnlich sieht das Horst Reuther (CSU), Bürgermeister in Albertshofen, ebenfalls im Landkreis Kitzingen: „Wir brauchen als Gemeinde keinen Bauplatz kaufen, nur um ihn sofort wieder zu verkaufen.“ Die Gefahr durch Spekulanten schätzt er in einer Gemeinde mit etwa 2.200 Einwohnern gering ein.

Das Bayerische Bauministerium bestätigt auf BR-Anfrage, dass das Vorkaufsrecht erst im Verkaufsfall zu einem Zugriffsrecht der Gemeinde führt. Weiterführende Regelungen könne lediglich der Bund beschließen. Das Bundesbauministerium ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Eigentümer sollen verpflichtet werden zu bauen

Bei brachliegenden Grundstücken könnten die Bundesgesetze kleinen Gemeinden trotzdem helfen. So sieht es zumindest das Ministerium in München. Demnach können Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt nun leichter als bislang Baugebote anordnen. Auch langjährige Eigentümer könnten verpflichtet werden, innerhalb einer Frist Wohnungen zu bauen – sofern der Bebauungsplan Wohnungen vorsieht.

Allerdings hat das Gesetz Ausnahmen. Etwa dann, wenn ein Eigentümer glaubhaft begründet, dass er aus wirtschaftlichen Gründen nicht bauen kann. Dann sei die neue Regelung wohl hinfällig, heißt es aus dem Rathaus im unterfränkischen Dettelbach. Der dortige Bürgermeister Matthias Bielek (Freie Wähler) will die neuen Instrumente des Bunds und Freistaats dennoch im Stadtrat diskutieren: „Wir werden darüber reden müssen.“ Die Stadt mit 7.200 Einwohnern steht ebenfalls auf der Liste des Freistaats. Etwa 240 unbebaute, erschlossene Grundstücke gibt es im Gemeindegebiet.

[…]

Zum vollständigen Artikel:
https://www.br.de/nachrichten/bayern/wohnungsnot-im-dorf-helfen-neue-regeln-von-bund-und-freistaat,TPGDm4W

[BR, 18.12.2022]

16 Dez

„Wir brauchen einen Mietenstopp“

München – Am bayerischen Immobilienmarkt geschieht derzeit Ungewöhnliches: Umsätze sacken ab, Projekte werden verschoben, Kaufpreise sinken. Die Inflation und die Unsicherheit angesichts des Ukraine-Krieges haben deutliche Spuren hinterlassen. Was bedeutet das für Kaufwillige? Eigenheimbesitzer? Mieter? Wie geht es weiter am Immobilienmarkt? Darüber sprachen wir mit einer ganzen Reihe von Experten.

Heute: Die Mieterschützerin
Beatrix Zurek ist erste Vorsitzende des DMB Mietervereins München, mit rund 68 000 Mitgliedern zählt er zu den größten Mietervereinen in Deutschland. Beatrix Zurek kennt die Besonderheiten des Münchner Wohnungsmarktes aber auch aus anderer Perspektive: Bis 2016 war Zurek als ehrenamtliche Stadträtin Teil der SPD-Fraktion im Münchner Stadtrat.

Für Mieter sind Preissteigerungen nichts Neues: Innerhalb von zehn Jahren sind die Neuvertragsmieten in München um über 50 Prozent gestiegen, im Umland sieht es kaum besser aus. Woran liegt das?

Das Grundübel sind Regularien in Gesetzen, die diese Preisspirale in den vergangenen Jahren vorgezeichnet haben.

Auf welche Regularien spielen Sie an?

Nehmen wir einmal die sogenannte ortsübliche Miete. Sie definiert sich über die Mieten, die in den vergangenen sechs Jahren neu vereinbart und verändert wurden – wobei „verändert“ in München immer „erhöht“ bedeutet. Das heißt im Umkehrschluss: Bestandsmieten spielen für die ortsübliche Vergleichsmiete keine Rolle. Denn es gibt sie ja, die vernünftigen Vermieterinnen und Vermieter, die ihre Mieten nicht in hoher Geschwindigkeit erhöhen. Leider schlagen diese vergleichsweise günstigen Mieten nicht durch.

Was ist die Folge?

Die Preisspirale dreht sich immer schneller, wenn sich Vermieterinnen und Vermieter bei Mieterhöhungen oder neuen Vertragsabschlüssen an der ortsüblichen Miete orientieren, die der Maßstab für die Rechtmäßigkeit einer Mieterhöhung ist. Wir sind ja schon froh, dass der Betrachtungszeitraum statt bei vier Jahren inzwischen bei sechs Jahren liegt, aber das reicht alles nicht.

Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden?

Wir brauchen einen Mietenstopp für sechs Jahre. Das verschafft allen eine Verschnaufpause und gibt der Politik die Möglichkeit, innerhalb dieses Zeitraums sowohl rechtliche Hürden zu beseitigen als auch die Wohnungssituation zu verbessern.

Ist die Wohnungssituation nicht das eigentliche Problem? Die Nachfrage in München ist hoch, das Angebot gering – entsprechend steigen die Mieten.

Nein, rechnerisch ist nicht das mangelnde Angebot das Problem. In den 60er-Jahren hatte eine Person in München im Schnitt 20 Quadratmeter zur Verfügung. Wäre das immer noch so, gäbe es genügend Wohnraum für alle. Jetzt sind es im Schnitt 47 Quadratmeter. Was zurückgegangen ist, die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen.

Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?

Nicht eine Maßnahme löst das Problem, wir müssen ein riesiges Maßnahmenbündel entwickeln, und das dauert – kurzfristig hilft daher nur ein Mietenstopp.

Mit welchen Maßnahmen könnte etwa der Bund eingreifen?

Wir setzen zum Beispiel große Hoffnung auf das geplante Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz.

Was verbirgt sich dahinter?

Durch die Gewährung von Steuervergünstigungen hätten es gemeinnützige Wohnungsunternehmen leichter, bezahlbare Wohnungen zu schaffen.

Aktuell gehen die Baugenehmigungen dramatisch zurück. Glauben Sie wirklich, dass ein solches Gesetz alle Probleme löst?

Wir brauchen viele Maßnahmen und die neue Wohnungsgemeinnützigkeit ist ein Hebel. Das Gute wäre: Wenn überhaupt Wohnraum entsteht, dann im gemeinnützigen Bereich. Natürlich ist mir klar, dass auch sozial-orientierte Bauträger aktuell mit gestiegenen Baukosten kämpfen, da bin ich nicht blauäugig. Aber mir ist es lieber, es entstehen in Zukunft Wohnungen im bezahlbaren Segment und nicht im Luxussegment.

Sehen Sie auch auf Ebene des Freistaats Handlungsbedarf?

Ja. Der Freistaat muss das tun, was er angekündigt hat – und zwar mit der BayernHeim Wohnungen bauen. Leider ist und bleibt es eine unrühmliche Geschichte, dass die GBW mit ihren bayernweit 33 000 Wohnungen verkauft wurde. Zwar wurde daraufhin als Trostpflaster die BayernHeim gegründet, aber bisher wurden gerade einmal rund 70 Wohnungen neu gebaut. Der Großteil der BayernHeim-Wohnungen ist einfach nur zugekauft.

Welche Hebel hat der Freistaat noch?

Im Rahmen der Wohnbauförderung müsste er sich verlässlicher engagieren. Ich verstehe Wohnungsunternehmen, die beim Neubau zurückhaltend sind, weil sie nicht wissen, ob in den Jahren nach 2025 noch Förderungen fließen.

Was sollte auf kommunaler Ebene geschehen?

Die Stadt München muss in den Bebauungsplänen dafür sorgen, dass bezahlbarer Wohnraum entsteht – zum Glück passiert das auch.

Das Thema Nachverdichtung und höhere Gebäude haben Sie interessanterweise nicht explizit genannt, dabei werden beide Themen sehr emotional diskutiert.

Es gibt unendlich viele Stellschrauben, an denen etwas getan werden müsste. Aber klar, natürlich muss man prüfen, wo man gut nachverdichten kann oder wo sich das Dachgeschoss ausbauen lässt.

Ist München speziell, was den Widerstand gegen Nachverdichtung und höhere Gebäude angeht?

Wenn ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Mieterbund austausche, scheint das in anderen Städten genauso ein Problem zu sein. Ich bin aber tatsächlich immer wieder fasziniert von Münchnern, die von ihren Reisen nach Rom oder Barcelona schwärmen, wo achtgeschossige Häuser der Normalfall sind – und das sind keine Betonklötze! Dieselben Leute wollen in ihrer eigenen Stadt diese Häuser aber nicht haben. Wohnen in München soll ja nicht werden wie in Tokio, aber natürlich müssen wir höher bauen.

Sehen Sie die Gefahr, dass Münchner weiter ins Umland ziehen, dort Schlafstädte entstehen und München zu einer reinen Arbeitsstadt wird?

Es wäre generell gut, das Thema Wohnen ganzheitlich zu sehen. Die Bereitstellung von Schulen, Kitas, Infrastruktur und und – das ist alles Teil von Wohnungspolitik. Es geht um weitaus mehr als um Quadratmeter Wohnfläche.

Bis zum Jahr 2040 rechnet die Stadt München mit einem jährlichen Bevölkerungszuwachs von 0,71 Prozent, das entspricht einem Gesamtplus von 16 Prozent auf 1,8 Millionen Einwohner. Hat München überhaupt die Kapazität für so viele Menschen?

Wir müsse eben alle a bisserl z’ammrücken. Es kann ja nicht sein, dass jemand, der jetzt geboren wird, kein Recht haben soll, in München zu leben. Wer allein lebt, braucht keine 100-Quadratmeter-Wohnung, 50 Quadratmeter reichen locker. Die größeren Wohnungen brauchen dringend die Familien. Wenn jeder nur auf seinem Egoismus beharrt, schaffen wir diesen Sinneswandel nicht.

Interview: Sebastian Hölzle

[Merkur, 16.12.2022]

13 Dez

Jetzt ziehen die Mieten an

Immobilienkredite haben sich verteuert. Die Baupreise schießen in die Höhe. Viele Menschen können sich kein Wohneigentum mehr leisten und weichen auf Mietwohnungen aus. Dort ziehen die Preise an.

München/Frankfurt – Der Anstieg der Wohnungsmieten in Deutschland gewinnt an Fahrt. Im dritten Quartal kletterten die Angebotsmieten dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge im Schnitt um 5,8 Prozent zum Vorjahresquartal. Das war mehr als das Mittel aus dem dritten Quartal der vergangenen drei Jahre (4,5 Prozent). In allen Bundesländern liegt der Zuwachs den Daten zufolge über dem mittelfristigen Trend. Der Markt für Mietwohnungen dürfte umkämpft bleiben, denn im Wohnungsbau gibt es immer mehr Stornierungen. Der Mieterbund und Gewerkschafter fordern ein Einschreiten der Politik.

„Es zeigt sich, dass die Dynamik zunimmt“, sagte IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer mit Blick auf die Mieten. Die Menschen suchten zunehmend Mietwohnungen, während einige Vermieter offenbar wegen der Inflation höhere Mieten ansetzten. Zudem gebe es in ländlichen Regionen, die noch vergleichsweise günstigen Wohnraum bieten, auch Aufholeffekte.

Unter den Ländern stiegen die Angebotsmieten laut IW am wenigsten stark in Baden-Württemberg, Sachsen und Hessen mit gut 4 Prozent. Am kräftigsten kletterten sie im Saarland (7,9 Prozent), in Brandenburg (9,1 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (10,3 Prozent). Angebotsmieten bedeuten noch keine Abschlüsse, zeigen aber die Richtung. Auch lässt sich nur selten über Mieten verhandeln.

In Metropolen gab es relativ moderate Aufschläge bei den Angebotsmieten in Frankfurt (1,4 Prozent), Stuttgart (2,4 Prozent) und München (3,5 Prozent). In den Metropolen haben die Mieten nach Jahren des Immobilienbooms schon ein vergleichsweise hohes Niveau erreicht. Der Anstieg der Angebotsmieten insgesamt blieb im dritten Quartal hinter der allgemeinen Teuerung zurück.

In den vergangenen Jahren waren die Mieten weniger gestiegen als die Immobilienpreise. So haben sich die Preise für Einfamilien- und Reihenhäuser binnen zehn Jahren etwa verdoppelt, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung jüngst in einer Untersuchung 97 deutscher Städte berichtete. Die Mieten kletterten in dem Zeitraum um durchschnittlich 56 Prozent. Während viele Kapitalanleger im Immobilienboom in den Wohnungsmarkt einstiegen, hatte sich der Anstieg der Mieten zuletzt etwas beruhigt.

Nun machen gestiegene Kreditzinsen und Baupreise sowie die Inflation Wohneigentum zunehmend unbezahlbar. Viele Menschen weichen auf den Mietmarkt aus, was den Aufwärtsdruck verstärkt, wie es in einer Studie der Landesbank Helaba hieß.

Entspannung auf dem Wohnungsmarkt ist vorerst nicht in Sicht, denn seit Monaten rollt im Wohnungsbau eine Stornierungswelle. Im November waren 16,7 Prozent der Firmen am Bau von Stornierungen betroffen – nach 14,5 Prozent im Vormonat, wie das Ifo-Institut am Montag berichtete. Steigende Baupreise, höhere Zinsen und geringere Fördermöglichkeiten führten zu auffällig vielen Stornierungen.

Der Zentralverband des deutschen Baugewerbes erwartet einen Einbruch im Wohnungsbau: 2023 dürften 245 000 Wohnungen fertiggestellt werden, gut zwölf Prozent weniger als in diesem Jahr. Damit würde das Ziel der Bundesregierung von jährlich 400 000 neuen Wohnungen wieder verfehlt. Die jüngste Wohngeldreform – mit der die Zahl der Berechtigten stark steigen und die Hilfe ausgeweitet werden soll – werde nicht reichen, um schnell den Druck aus dem Wohnungsmarkt zu nehmen. „Es fehlt zu viel Personal in den Wohngeldstellen, als dass das Geld schnell bei den Anspruchsberechtigten ankommen würde“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell.

[Merkur, 13.12.2022]

09 Dez

Neue Hoffnung in der Maitz

Die Projektgruppe „GeMAITZam“ schöpft wieder Hoffnung. Ihren Traum, als Holzkirchner in Holzkirchen auf Gemeindegrund ein Mehrgenerationen-Wohnmodell umzusetzen, wollen sie jetzt mithilfe einer Genossenschaft realisieren. Der Gemeinderat räumte der Gruppe diese zweite Chance ein. Der Versuch, das Millionenprojekt aus eigener Kraft zu stemmen, war an der Finanzierung gescheitert.

Holzkirchen – Junge Pärchen, Studenten, Rentner-Ehepaare – eine demografisch breit gefächerte Gruppe aus meist „eingeborenen“ Holzkirchnern, viele davon sozial engagiert, hatte im Dezember 2021 den Zuschlag vom Gemeinderat bekommen, ein 2300 Quadrameter großes Grundstück im Neubaugebiet Maitz in Erbpacht zu übernehmen. Elf „Parteien“ mit insgesamt bis zu 30 Personen hatten sich unter dem Namen „GeMaitzam wohnen“ zusammengeschlossen. Ein soziales, innovatives Wohnprojekt sollte entstehen, mit „atmenden“, in der Größe variablen Wohnungen. Etwa 1200 Quadratmeter Wohnfläche waren angedacht.

Ein halbes Jahr später platzte der Traum (wir berichteten). Die Baukosten waren innerhalb weniger Monate um fast das Vierfache gestiegen, die Baukredite deutlich teurer geworden. Das Budget, das auf Gesamtkosten von 5,5 Millionen Euro beruhte, war gesprengt. Die Gruppe, vertreten durch Katharina Plöckl und Sophie Nerb, zog die Reißleine – und gab auf. Die Gemeinde, die auf dem freien Markt für dieses letzte unbebaute Grundstück in der Maitz rund 4,5 Millionen Euro erlösen könnte, will an dem ambitionierten Erbpacht-Projekt allerdings festhalten – und räumt „GeMAITZam“ eine zweite Chance und mehr Zeit ein.

„Es gibt die Möglichkeit, dass die Gruppe unter das Dach einer Genossenschaft schlüpft und so ihren Plan doch noch umsetzen kann“, erklärte Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) jetzt im Gemeinderat. Auf Vermittlung des Beraterbüros „stattbau München“, die den Wettbewerb und die Vergabe für die Gemeinde fachlich begleitet hatte, fanden erste Gespräche zwischen „GeMAITZam“ und einer in Bayern ansässigen Genossenschaft statt. „Wir verlängern die Fristen um jeweils elf Monate“, sagte Schmid. Bis Juni 2023 bekommen die Parteien Zeit, ein Konzept mit Finanzierung zu erarbeiten. Bis April 2024 muss der Bauantrag vorliegen, im Juni 2024 würde der Erbpachtvertrag auf 80 Jahre unterzeichnet. „Der Prozess wird sehr engmaschig begleitet“, versicherte Katharina Winter von „stattbau“ dem Gemeinderat.

„Es freut mich, dass das Projekt nicht stirbt“, sagte Elisabeth Dasch (SPD). „Schön, dass die Gruppe noch einmal Mut gefasst hat“, ergänzte Robert Wiechmann (Grüne). Sebastian Franz (CSU) wies darauf hin, dass die Gemeinde viel Zeit und Energie in dieses Pilotprojekt steckte, dass im ländlichen Raum bisher einmalig wäre: „Das Konzept ist überzeugend, es ist einen zweiten Versuch wert.“ Der Bürgermeister geht davon aus, dass die finanzielle Substanz einer erfahrenen Genossenschaft die gestiegenen Baupreise abfedern könnte. „Überall werden derzeit Baupläne gestoppt“, sagte Schmid, der sich sicher ist: „Drei Jahre früher – und es hätte für die Gruppe aus eigener Kraft geklappt.“

Eine Erfolgsgarantie indes gibt es auch für Plan B nicht. Die „Reservierungsphase“ endet spätestens im Juni 2024. „Ich hoffe, wir brauchen dann nicht doch einen Plan C“, sagte Torsten Hensel (FWG). Was dann aus dem Sahnestück-Bauplatz in der Maitz wird, ist unklar. Im Wettbewerb hatte nur „GeMAITZam“ alle von der Gemeinde geforderten Kriterien für einen Zuschlag erfüllt. Sollte auch der zweite Anlauf misslingen, „werden wir uns Gedanken machen müssen, wie wir dann mit diesem Grundstück umgehen“, sagte der Bürgermeister.

[Merkur, 09.12.2022]

06 Dez

„Wir bräuchten doppelt so viel Fördergeld“

München – Am bayerischen Immobilienmarkt geschieht derzeit Ungewöhnliches: Umsätze sacken ab, Projekte werden verschoben, Kaufpreise sinken. Die Inflation und die Unsicherheit angesichts des Ukraine-Krieges haben deutliche Spuren hinterlassen. Was bedeutet das für Kaufwillige? Bauherren? Kapitalanleger? Eigenheimbesitzer? Wie geht es weiter am Immobilienmarkt der Metropolregion München mit ihrem ausgedehnten Speckgürtel? Darüber sprachen wir mit einer ganzen Reihe von Experten.

Heute: Der Projektentwickler

Hans Maier ist Verbandsdirektor und geschäftsführender Vorstand des VdW Bayern. Der VdW ist kein gewöhnlicher Immobilienverband: Er vertritt die Interessen von sozial orientierten Wohnungsunternehmen, dazu zählen etwa Wohngenossenschaften sowie kommunale und kirchliche Wohnungsfirmen. Fast 500 Wohnungsunternehmen sind im VdW organisiert, gemeinsam verwalten sie 540 000 Wohnungen in Bayern, darunter 107 000 Sozialwohnungen.

Mehr als eine halbe Million Wohnungen verwalten Ihre Mitgliedsunternehmen im Freistaat. Wie ist dort die Stimmung?

Seit der Energiekrise ist die Stimmung der Wohnungswirtschaft ziemlich getrübt. Die stark gestiegenen Gaspreise werden sich empfindlich auf die Mieterhaushalte, aber auch auf die Wohnungsunternehmen auswirken. Unsere Wohnungsunternehmen kaufen Energie bei den Versorgern, und diese Kosten müssen wir an die Mieter weitergeben. Der Gaspreisdeckel wird dieses Problem nur in Teilen lösen.

Warum nur „in Teilen“?

Zwölf Cent pro Kilowattstunde kann für einen Mieter nach wie vor eine Verdrei- bis Vervierfachung der Abschlagszahlung sein. Ich weiß von einem Mieter, der hat bisher im Monat 90 Euro bezahlt, jetzt sollte er 490 Euro zahlen. Aber auch nach Einführung des Gaspreisdeckels sind es immer noch 270 oder 360 Euro.

Ist das die Ausnahme oder die Regel?

Solche Beispiele haben wir überall dort, wo die Gasverträge zum Jahresende auslaufen. Nur 25 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen haben eine vertragliche Preisgarantie bis 2024 oder länger.

Stehen die sozial orientierten Wohnungsunternehmen besonders unter Druck?

Bei uns ist tatsächlich die Mehrzahl der Mieter im unteren Einkommenssegment. Da sind 200 oder 300 Euro im Monat an Zusatzkosten sehr viel Geld. Das Wohnunternehmen geht beim Energieeinkauf aber in Vorleistung. Passiert es, dass der Mieter die Vorauszahlung nicht bezahlen kann, bleibt das Unternehmen auf den Kosten sitzen.

Was ist die Folge?

Die Liquidität im Unternehmen geht zurück, die Investitionen werden runtergeschraubt.

Ein Massenphänomen?

Wir haben eine Umfrage unter unseren Mitgliedsunternehmen gemacht: Demnach wollen 58 Prozent ihre Investitionstätigkeit einschränken – das trifft auch Neubauprojekte.

Die Bundesregierung will aber, dass jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen in Deutschland entstehen.

Bei den jetzigen Rahmenbedingungen ist das Ziel nicht erreichbar, zumal von diesen 400 000 Wohnungen ein Viertel gefördert sein soll.

Ist teure Energie das einzige Problem?

Nein. Die Baukosten sind hoch, Materialmangel und gestörte Lieferketten haben das Bauen verteuert. Außerdem machen sich die gestiegenen Zinsen bemerkbar. Das Problem ist, dass die staatliche Förderung an diese neuen Rahmenbedingungen nicht angepasst ist.

Das heißt, Bund, Freistaat und Kommunen müssten eigentlich mehr Geld in die Hand nehmen?

So ist es. Von dem Ziel der Bundesregierung, jedes Jahr 100 000 geförderte Wohnungen zu bauen, dürfte bei den aktuellen Förderregeln maximal die Hälfte realisiert werden. Der Bund gibt im kommenden Jahr 2,9 Milliarden Euro für den geförderten Wohnungsbau aus, die Länder in etwa das Gleiche. Wir bräuchten aber doppelt so viel. Zumal im frei-finanzierten Wohnungsbau ebenfalls nachgebessert werden muss.

Was ist hier zu tun?

Steuerliche Anreize setzen, die ganze Grundstückspolitik überdenken und Genehmigungsverfahren beschleunigen. Denn hier hapert es auch.

Wie lange dauert aktuell ein Neubau?

Von der grünen Wiese bis zum fertigen Gebäude etwa 48 Monate.

Wie ließe sich der Neubau beschleunigen?

Ein Problem ist beispielsweise, dass wir in Deutschland nicht gerade Weltmeister im seriellen Bauen sind.

Die Plattenbauten aus den 50er- und 60er-Jahren sind aber auch nicht immer ein schöner Anblick.

Serielles Bauen im Jahr 2022 hat mit Plattenbauten nichts mehr zu tun. Heute heißt serielles Bauen: Alles wird am Computer geplant, einzelne Module lassen sich wie Legosteine beliebig zusammensetzen. Das ist nicht nur günstiger, sondern im Bau auch schneller – und trotzdem ist das Gebäude sehr individuell gestaltbar. Wenn Sie an einem solchen Gebäude vorbeispazieren, sehen Sie nicht, dass das Haus aus serieller Fertigung stammt. Die Niederlande machen das heute schon, wir sind hier in der Breite noch nicht so weit.

Dabei sieht sich Deutschland gerne als Technologievorreiter.

Sind wir aber nicht. Bauherren, Bauausführende und Planer müssen viel enger zusammenarbeiten – und technologieoffener werden.

Woran hakt es bei der Grundstückspolitik?

Es gibt zu wenig Grundstücke für den Wohnungsbau. Also müsste man das Thema Aufstockung – also neue Stockwerke für bestehende Gebäude – oder die Nachverdichtung erleichtern.

Wie wirken sich die gestiegenen Zinsen aus?

Vor elf Monaten haben wir 0,7 Prozent an Zinsen gezahlt, jetzt sind wir bei 4,1 Prozent. Angenommen, ein neues Gebäude kostet fünf Millionen, benötige ich etwa eine Million Euro als Kredit. Habe ich vor Kurzem noch 7000 Euro an Zinsen bezahlt, sind es jetzt 41 000 Euro. Die ersten Projektentwickler bauen schon nicht mehr.

Kennen Sie Projekte, die verschoben worden sind?

Ja, aber die Wohnungsunternehmen wollen ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Klar ist, dass Wohnraum knapp bleibt. Daher steigen die Mieten weiter, da gibt es die nächsten Jahre keine Erleichterungen.

Gibt es auch gute Nachrichten?

Es gibt eine Renaissance des kommunalen Wohnungsbaus. Wir haben aktuell fünf Kommunen, denen wir helfen, kommunale Wohnbauträger zu gründen. Insbesondere von der Metropolregion München geht das aus. Positiv ist auch, dass die Konzeptvergabe zugenommen hat.

Was ist das genau?

Verkauft eine Kommune ein Grundstück, erhält nicht mehr der Investor mit dem teuersten Angebot das Grundstück, sondern der mit dem besten Konzept. Wäre das nicht so, hätten sozial orientierte Wohnungsunternehmen, insbesondere Wohnungsgenossenschaften, keine Chance. In München gehen inzwischen eigentlich alle Grundstücke über die Konzeptvergabe an neue Eigentümer.

Und bei privaten Grundstücksverkäufen?

Wenn die Stadt das Baurecht neu schafft, greift die Sobon, also die Sozialgerechte Bodennutzung.

Was bedeutet das?

Das heißt, dass der Käufer einen Teil der Wohnbauflächen für geförderten Wohnbau zur Verfügung stellen muss.

So positiv das klingt: Es bringt offenbar nicht viel. Die Mieten im Großraum München sind in den vergangenen Jahren trotzdem rasant gestiegen.

Diese positiven Entwicklungen lösen tatsächlich das akute Problem des Wohnraummangels nicht. Dazu bräuchte man einen noch höheren Anteil an gefördertem Wohnraum. Was Städte wie München gerade machen, sind auf Jahrzehnte angelegte strategische Projekte, um sich langfristig Zugriff auf die Wohnungen zu sichern. Bis man hier echte Effekte sieht, kann das noch 30 bis 50 Jahre dauern.

Interview: Sebastian Hölzle

[Merkur, 06.12.2022]