INTERVIEW – Bernhard Mayer über steigende Bodenpreise, Ursachen und unmoralische Anfragen
Landkreis – Der Trend ist keine Überraschung, den die Bodenrichtwerte der Jahre 2019/20 für den Landkreis ergeben haben: Die Preise für Immobilien sind erneut gestiegen. Aufhorchen lässt der Umfang: bis zu 25 Prozent. Bernhard Mayer, Vorsitzender des Gutachterausschusses, erklärt, wie diese Zahlen ermittelt wurden, was sie aussagen und welche Schlüsse sich daraus ergeben. Der 54-jährige Architekt arbeitet seit fünf Jahren am Landratsamt Miesbach, leitet die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses und berät rund um das Thema Bauleitplanung.
Herr Mayer, Sie kennen die Zahlen am besten: Wie sehen Sie die Entwicklung im Landkreis?
Der Gutachterausschuss, dessen Vorsitzender ich bin, hat die Aufgabe, objektiv über die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt zu berichten. Aber wir sind regelmäßig mit den Auswirkungen der Preisentwicklung beschäftigt – und zwar am Telefon, um besorgte Bürger zu beruhigen.
Wieso das denn?
Weil weiterhin einfach hohe Werte am Markt sind. Die Immobilienwerte florieren, und wir bekommen die Bedenken der Landkreisbürger zu spüren. Sie haben Angst, dass Schenkungs- oder Erbschaftssteuern so hoch werden, dass es für die Begünstigten zu viel werden könnte. Denn die Bodenrichtwerte sind ja per Gesetz Grundlage für die Wertermittlung von Immobilien. Viele kommen auch vom Termin beim Steuerberater und fragen bei uns, ob da nicht doch was geht.
Also dass Sie Werte nach unten korrigieren sollen?
Genau. Oder dass wir einen niedrigeren Bodenwert für das betreffende Grundstück ausweisen. Das können wir natürlich nicht. Wir werten als Gutachterausschuss die Preise der Immobiliengeschäfte aus, die im betreffenden Zeitraum – jetzt also 2019 und 2020 – vollzogen wurden, und ermitteln die Richtwerte. Wirklich helfen können den Betroffenen nur Rechtsanwälte und Steuerberater, die bei der Planung der Übergabe gut beraten.
Die Immobilienpreise klettern seit Jahren. Wie ist das zu erklären?
Weiterhin mit der niedrigen Zinssituation. Wer Vermögen hat, sucht händeringend nach Möglichkeiten, es gewinnbringend anzulegen oder es zumindest zu parken, ohne dass es an Wert verliert. Seit 2010 ist im Landkreis die Wertsteigerung sehr stark zu spüren. Vor allem in Schliersee/Neuhaus und im Tegernseer Tal, vor allem bei den Seelagen in Rottach-Egern, den Höhenlagen in Tegernsee und auch in Kreuth. Holzkirchen und Otterfing zählen mit ihrem S-Bahn-Anschluss schon zum Speckgürtel von München. Wobei man sagen muss: Die Entwicklung ist am Tegernsee am stärksten und eindeutigsten.
An der Spitze liegt immer noch München.
Ja, aber wohl nicht mehr so stark. Es verlagert sich. Und dabei werden Orte wie Waakirchen, Warngau, Valley und auch Kreuth mitgerissen, die weniger gut erschlossen sind. Aber der Haupttrend geht immer noch auf die Premiumlagen.
Wie werden diese Zahlen denn ermittelt?
Grundlage ist die Kaufpreissammlung, die wir am Landratsamt in der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses führen. Dort sind wir ein Team von vier Personen, davon für den Gutachterausschuss 2,6 Vollzeitstellen. Wir erfassen die Kaufurkunden und qualifizieren die zur Auswertung geeigneten Daten. Dabei müssen wir auch die wertrelevanten Bestandteile ermitteln. Wir bereiten die Fälle auf – online meist über das Geo-Portal, aber auch vor Ort, wenn es anders nicht geht. Und wir recherchieren auch darüber hinaus.
Wie machen Sie das?
Zum einen setzen wir sehr stark darauf, dass die Fragebögen von den Käufern beantwortet zurückgeschickt werden. Die Rücklaufquote liegt bei 70 Prozent, was relativ gut ist. Wir schreiben aber auch Makler an und bitten um die Exposés. Oder wir fahren selbst vor Ort hin, um beispielsweise die Geschoßigkeit zu klären. Generell gibt es die gesetzliche Verpflichtung zur Beantwortung des Fragebogens, aber wir setzen auf Freiwilligkeit.
Und die Gutachter?
Die zwölf Gutachter sind ehrenamtlich im Ausschuss tätig und stammen aus der Branche – Sachverständige und Architekten. Ermittelt wird im Team, wobei der Landkreis in insgesamt 350 Bodenrichtwertzonen aufgeteilt ist. Jede Zone wird ermittelt. Das Prozedere ist sehr stark vom sogenannten intersubjektiven Verfahren geprägt: Mindestens drei Gutachter ermitteln im Dialog in mehreren Arbeitssitzungen. Mit Corona hatten wir einen Hybridmodus: drei bis vier Kollegen vor Ort, weitere online zugeschaltet. Insgesamt kamen wir so auf rund 450 Arbeitsstunden für die aktuelle Erhebung.
Wie groß war denn das Volumen der Kauffälle?
Es waren erneut weniger Kauffälle an unbebauten Grundstücken, die aber höhere Preise erzielt haben. Das ist auch tendenziell zu beobachten. Das liegt daran, dass die unbebauten Grundstücke immer weniger zur Verfügung stehen. Deshalb spielt die Nachverdichtung eine große Rolle – vor allem in Seegemeinden, wo es noch parkähnliche Grundstücke gibt.
Was heißt, es waren weniger Kauffälle?
Insgesamt haben wir 2020 rund 1300 Verkäufe bearbeitet, die ein Gesamtvolumen von etwa einer Milliarde Euro hatten. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass da ein paar Immobilien dabei waren, die vergleichsweise sehr viel Geld gekostet haben. Eine einfache Teilungsrechnung hat hier also keinerlei Aussagekraft. Die investierte Geldsumme stieg jährlich etwa um 20 Prozent. So war es jedenfalls von 2018 auf 2019 und von 2019 auf 2020.
Wie sieht es bei den Eigentumswohnungen aus?
Da haben wir eine sehr große Preissteigerungstendenz, gerade im Neubaubereich. Das kann auch problematisch sein, wenn zu viel Wohnungen als Zweitwohnsitz genutzt werden und so dem Gemeinwesen fehlen, weil sich die Einheimischen diese Preise nicht mehr leisten können.
Corona hat dem Trend zur Immobilie jedenfalls nicht geschadet, oder?
Sicherlich nicht in unserer Region. Gerade durch die Erfahrung, dass Homeoffice funktioniert und man nicht täglich zur Arbeit fahren muss, hat der Druck auf Eigenheimgrundstücke außerhalb der ÖPNV-Achsen zugenommen. Da wird zu Münchner Preisen gekauft, ohne mit der Wimper zu zucken.
Müsste also mehr gebaut werden?
Das kann man so nicht sagen. Der Bereich der Mehrfamilienhäuser ist relativ gut, aber hier sind eher die Träger hochpreisiger Wohnungen aktiv. Auch Einzelhäuser werden ausreichend gebaut. Es wird also genug angeboten, aber der Preisdruck durch hohe Angebote ist groß. Bei unbebauten Baugrundstücken ist relativ wenig am Markt. Dramatisch gering ist es bei den gewerblichen Flächen. Gewerbe-Immobilien werden sehr schwach gehandelt. Das könnte sich langfristig negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis auswirken.
Damit nimmt das Ungleichgewicht weiter zu?
Ja. Gerade im Tegernseer Tal beobachten wir dieses Ungleichgewicht, der Gutachterausschuss kann darüber jedoch nur berichten. Es wäre gut, wenn die bezahlbaren Immobilien in einem guten Verhältnis zu den touristisch genutzten Immobilien stehen würden, wenn ausreichend Gewerbeimmobilien unterschiedlicher Prägung vorhanden wären. Dann müsste die arbeitende Bevölkerung nicht so viel pendeln, und alle Bevölkerungsgruppen hätten Wohnraum. Dann wären wir im Gleichklang.
Das Gespräch führte Dieter Dorby.
[Merkur, 28.08.2021]