25 Juli

Mieter haben Angst um ihr Zuhause

Hohe Quadratmeterpreise und Luxussanierungen, dazu Preissteigerungen in allen Bereichen des Lebens. Keine Frage, Münchner Mieter leiden ganz besonders unter den jüngsten Entwicklungen. Das wurde beim Mieterstammtisch, der erstmals wieder nach der Corona-Pause tagte, schnell klar.

Bukurije Tasini muss mit ihren drei Kindern raus aus der Wohnung in Aubing. Letzter Ausweg: Obdachlosen-Unterkunft. Rudolf Schairer (Maxvorstadt) hat Angst vor einer Wohnungslosigkeit wegen eines Abrisses. Zwei Beispiele für die große Not der Münchner Mieter.

Angst vor der Obdachlosigkeit

Bukurije Tasini (37) weiß nicht mehr weiter: Jeden Tag rückt das Datum näher, an dem sie ihre Wohnung verlieren wird. Ihr Vermieter hat ihr Anfang des Jahres wegen Eigenbedarfs gekündigt – Ende Oktober muss die alleinerziehende Mutter mit ihren drei Kindern (12, 14 und 19) endgültig ausziehen. Wo es danach hingeht, ist völlig ungewiss – die Familie findet einfach keine Wohnung.

Fast täglich fragt ihr jüngster Sohn seitdem: „Mama, wo müssen wir jetzt hin?“ Sie hat keine Antwort drauf, die Situation belastet die ganze Familie. Denn: Wenn sie nichts finden, droht die Wohnungslosigkeit. „Der Druck wird jeden Tag schlimmer“, sagt die Mutter. Seit 15 Jahren lebt die Familie in Aubing: vier Zimmer, 80 Quadratmeter, rund 1100 Euro Miete – für München ein vergleichsweise günstiges Angebot. Seitdem Tasini weiß, dass sie ausziehen muss, sucht sie täglich nach Alternativen, schreibt Anfragen: Doch auf dem freien Markt eine angemessen große Wohnung zu finden, ist schwer. Die alleinerziehende Mutter kann nur halbtags in einem Schuhgeschäft arbeiten, ihr Budget ist dementsprechend gering – schon jetzt erhält sie zusätzliche Leistungen vom Jobcenter.

Ihr Antrag auf eine Sozialwohnung wurde mit maximaler Punktzahl bewilligt. „Ich dachte, das wäre ein gutes Zeichen“, sagt sie. Sie habe sich dann auf dem offiziellen Portal der Stadt auf bisher über 40 Sozialwohnungen beworben – aber immer nur Absagen!

„Ich verliere langsam die Hoffnung“, sagt sie. Das Problem: In München warten momentan knapp 23 000 Haushalte auf eine Sozialwohnung – die Zahl hat sich in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppelt! Gleichzeitig können jährlich nur rund 3000 Wohnungen vergeben werden. Nur wegen einer hohen Dringlichkeit komme man nicht automatisch „zum Zug“, erklärt ein Sprecher des Sozialreferats. „Das Angebot kommt der Nachfrage nicht hinterher.“

Falls sie bis Oktober nichts finde, könne sie mit ihren Kindern in einer Unterkunft für Wohnungslose unterkommen, teilte ihr das Sozialreferat mit. Tasini empfand das als ziemlich „kalt“. „Das wäre das Schlimmste, was passieren kann. Ich will das meinen Kindern nicht antun.“ Sie hofft weiter.

Was kommt nach dem Abriss?

Rudolf Schairer aus der Schönfeldstraße 14 in der Maxvorstadt blickt in eine ungewisse Zukunft. Das Haus, in dem er lebt und das dem Immobilienunternehmen Dawonia gehört, soll abgerissen werden. 75 Einzimmerwohnungen befinden sich in dem Gebäude – hier leben jetzt auch 75 Mal Angst und Sorge.

Ursprünglich hatten die Mieter noch gehofft, dass in ihrem Gebäude lediglich Modernisierungsarbeiten vorgenommen werden. Doch im Frühjahr 2020 erhielten sie die Schocknachricht: Abriss im Jahr 2021. Wegen der Corona-Pandemie haben sich die Arbeiten jedoch verzögert. Ein kurzes Durchatmen. Denn vom Tisch ist das Projekt damit noch lange nicht. „Ich rechne damit, dass das Haus nächstes Jahr abgerissen wird“, mutmaßt Schairer, der schon seit 1990 hier wohnt. Er ist der Meinung, dass das Gebäude abgerissen werden soll, um teureren Wohnraum zu schaffen. Im neuen Haus seien nur etwa 60 Wohnungen geplant – im Gegensatz zu den 75 Wohnungen jetzt. Aber die Wohn- und Nutzfläche erhöhe sich von den jetzigen 3600 Quadratmetern auf ungefähr 6900. „Da sollen Luxuswohnungen entstehen“, schließt Schairer.

Die Dawonia widerspricht: Im neuen Gebäude seien familienfreundlichere, größere Wohnungen geplant. Rudolf Schairer kämpft trotzdem für den Erhalt des bisherigen Gebäudes. Er glaubt, dass die Preise steigen werden – in eine Höhe, die er und andere Altmieter des Hauses dann nicht mehr zahlen könnten. Deshalb sprach Schairer nun auch beim Mieterstammtisch vor.

[Merkur, 25.07.2022]