26 Jun.

Es geht auch anders

Alternative Wohnkonzepte

Mikro-Apartment, Mehrgenerationenhaus, Genossenschaften – alternative Ansätze mischen den Mietmarkt auf. Sie sind die kreative Antwort auf die immer schwierigere Wohnungssituation in Großstädten

von Andrea Hoffmann-Topp

Alle Wege von der Eingangstür sind kurz: zwei Schritte zum Klo, drei zum Bett, vier zur Küche. Willkommen im Mikro-Apartment. Auf 20 bis 40 Quadratmetern schaffen Architekten wahre Platzwunder. So wie in der Schwabinger Anlage, in der Student Daniel wohnt. Es gibt Dusche, Toilette, Hochbett, Kochstelle und klare Regeln: Nägel in die Wand schlagen ist verboten; Bilder kommen an die Galerieschiene. Alles hat hier seinen festen Platz.

In Schwarmstädten wie München, die unter chronischem Wohnungs- und Platzmangel leiden, sind solche vollmöblierten Komplettpakete zu einem Erfolgsmodell geworden. Kein Wunder: Die Zahl der Alleinwohnenden steigt, in München machen sie bereits 54 Prozent aller Haushalte aus. Mikro-Apartments sind aber nur eine von vielen alternativen Wohnkonzepten, mit denen Stadtplaner, Architekten, Baugesellschaften und Bürger auf mangelnden Platz und steigende Preise reagieren. Einige Ideen muten extrem an: In Hamburg etwa leben manche inzwischen in schwimmenden Luxushäusern in Hafennähe, während ein schwedisches Start-up kleine Wohnwagons entwickelt hat, deren Bewohner dank Solarpaneelen, Wassertank und Dachgemüsegarten nicht nur überall, sondern auch autark wohnen können.

Von derart unkonventionellen Bauformen ist Sebastian Oppermann weit entfernt, aber auch ihm geht es um anderes Wohnen, genauer: um „Gemeinsam anders wohnen“. Diesen Namen trägt eine Bürgerinitiative, die er 2017 als Stammtisch ins Leben gerufen hat, um in Holzkirchen ein genossenschaftliches Wohnprojekt zu realisieren. „6000 Euro pro Quadratmeter für eine Eigentumswohnung sind auch im Umland von München keine Seltenheit mehr“, weiß Oppermann aus eigener Erfahrung. Die einzige Chance für Normalverdiener, etwas Eigenes zu kaufen, sei die Abkopplung vorn Markt. „Dieser regelt sich leider nur in eine Richtung selbst — nämlich nach oben“‚ sagt Oppermann, der den genossenschaftlichen Wohnungsbau für die beste Antwort auf diese Misere hält.

Wer sich seinem Modell anschließt, zahlt eine Einlage in die Genossenschaft und erhält im Gegenzug lebenslanges Wohnrecht. Nach Oppermanns Planungen würde der einmalige Pflichtanteil für eine Zweizimmerwohnung mit 50 Quadratmetern bei 25OOO Euro liegen, zahlbar in Teilraten gemäß Baufortschritt. Nach Einzug läge die Kaltmiete für einen Neubau bei moderaten zehn Euro pro Quadratmeter.

„Sicher wie Eigentum – flexibel wie Miete“: Auf diese simple Formel bringen Befürworter die Vorteile genossenschaftlichen Wohnens. Jedes Genossenschaftsmitglied ist Teil der Eigentümergemeinschaft und muss weder Kündigung noch Mieterhöhung nach Weiterverkauf fürchten. Das lebenslange Wohnrecht erlischt nur, wenn das Mitglied wegzieht – dafür gibt es dann die anfangs gezahlte Einlage zurück.

Dieses Modell ist zwar nicht neu, doch in Zeiten rapide ansteigender Miet- und Kaufpreise zunehmend attraktiv — und damit Antrieb für Initiativen wie die von Sebastian Oppermann. Insgesamt werden deutschlandweit derzeit rund 2,2 Millionen Wohnungen von Genossenschaften verwaltet, in ihnen leben fünf Millionen Menschen. Wer sich auf ein genossenschaftliches Wohnprojekt einlässt, sollte sich aber auch darüber im Klaren sein, dass das soziale Miteinander und auch die materielle Teilhabe im Vordergrund stehen. Bei Oppermanns Modell bedeutet das im Alltag: Alle Mitglieder teilen sich Werkstatt, Gästezimmer, Rasenmäher und Bohrmaschine. Mitbestimmt wird, wenn es um projektbezogene Themen wie Gebäudeeinrichtungen und das Zusammenleben der Gemeinschaft geht. Unabhängig von der Größe seiner Wohnung hat jeder Eigentümer das gleiche Stimmrecht und bringt sich aktiv in AGs ein, die die Hausverwaltung regeln, sich über Ausstattung von Gemeinschaftsräumen Gedanken machen und nachbarschaftliche Hilfe organisieren. Das Ziel? „Die robuste Hausgemeinschaft“‚ wünscht sich Oppermann.

So etwas hat Rudi, 79, für sich bereits gefunden: Er lebt im Südwesten Münchens in der Wohngemeinschaft seiner Träume und ist dort Märchenonkel für sechs Kinder im Vorschulalter. „Ein Job, den ich nicht mehr missen möchte.“ Vor vier Jahren hat sich Rudi entschlossen, in ein Mehrgenerationenhaus einzuziehen. „Nachdem meine Frau gestorben war und wir keine Kinder haben, wollte ich nicht einsam in unserem Haus bleiben.“ Inzwischen bewohnt er eine 70 Quadratmeter große Erdgeschosswohnung mit Terrasse und Blick auf Gemeinschaftshäuser und -gärten. In der Tageszeitung hatte er von dem neuen Wohnkonzept erfahren, das ihn schnell überzeugte. „Hier ist immer was los. Es erinnert mich an das Leben in Großfamilien, nach dem ich mich immer gesehnt hatte. Einsamkeit kenne ich hier nicht, aber es gibt auch Rückzugsorte, wenn ich allein sein will.“

„Der Wohnungsmarkt regelt sich leider nur in eine Richtung selbst – nach oben«

Die Leitidee der bundesweit mehr als 540 Mehrgenerationenhäuser liegt im sozialen und nachbarschaftlichen Miteinander und im aktiven Austausch der Altersgruppen: Rudi liest vor, die Kinder bringen am Samstag die Frühstückssemmeln, ihre Eltern begleiten Rudi bei Behördengängen oder übernehmen den Fahrdienst zum Arzt. Grundsätzlich kann jeder in einem Mehrgenerationenhaus leben, der sich in der Gemeinschaft kontinuierlich und verantwortlich engagiert. Gegenseitige Hilfe ist schließlich der Kerngedanke des Konzepts. Und: In einem Mehrgenerationenhaus treffen viele Menschen mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten aufeinander. „Da kracht es schon mal kräftig“‚ schmunzelt Rudi. Kein Problem, wenn Konflikte gleich bewältigt werden. Damit das gelingt, ist soziale Kompetenz ein Kriterium bei der Vergabe der begehrten Wohnungen.

Der Gemeinschaftsgedanke spielt auch in Daniels Mikro-Apartment—Anlage eine Rolle, allerdings geht es eher um Spaß als um gegenseitige Hilfe. Services wie ein hauseigenes Fitnessstudio, eine gemeinsame Dachterrasse oder eine TV Lounge klingen mitunter nach Hotel. „So fühlt es sich auch an“, sagt Daniel, als er abends von der Uni kommt und vom Community-Manager in der Lounge begrüßt wird. Schnell noch ein Blick auf die hauseigene App, was am Abend hier im Gebäude vor sich geht: Kochkurs oder Studentenparty? Wer vernetzt ist, empfindet die eigenen vier Wände nicht mehr ganz so klein. Fehlt denn überhaupt nichts? „Ich wohne in der sechsten Etage ohne Balkon. Der Weg an die frische Luft ist also ziemlich weit. Ansonsten habe ich mich gut sortiert“, sagt Daniel, der zum Masterstudium im Sommer nach Berlin zieht – wieder in ein Mikro-Apartment.

[Süddeutsche Zeitung, 26.06.2018]

21 Feb.

„Nicht ausruhen“

Bürgerinitiative begrüßt kommunalen Wohnungsbau

Holzkirchen – Als Reaktion auf den Spatenstich der Marktgemeinde Holzkirchen für die zwei kommunalen Wohngebäude mit 16 Wohneinheiten im Ortsteil Neuerlkam (wir haben berichtet), versammelten sich jüngst 20 Vertreter der Bürgerinitiative „Gemeinsam anders wohnen“ an selber Stelle. Die Bürgerinitiative begrüßte, dass die Marktgemeinde mit diesen kommunalen Wohngebäuden „nun endlich auch an die Normal- und Geringverdiener gedacht hat, nachdem bisher Bauland nur für Eigenheime an Spitzenverdiener vergeben wurde“. Gerade Familien, Angestellte im öffentlichen Sektor, im Einzelhandel oder Handwerk können sich Mieten von inzwischen 16 Euro pro Quadratmeter und mehr nicht leisten, heißt es in der Mitteilung der Initiative weiter. „Die Gemeinde darf sich jetzt nicht auf dem Erreichten ausruhen. Wir Holzkirchner benötigen weit mehr bezahlbaren Wohnraum als die 16 Einheiten“, fordert Sprecher und Initiator Sebastian Oppermann. Es ist nach seinen Worten für die prekäre Situation bezeichnend, dass die Baugenossenschaft Holzkirchen seit Jahren 200 und mehr Personenauf ihrer Warteliste habe und die junge Bürgerinitiativ innerhalb kürzester Zeit schon knapp 50 konkrete Wohnungsinteressenten vorweisen kann. Die Baugenossenschaft Holzkirchen sei zudem immer noch mit der Sanierung ihres Bestandes ausgelastet. Und so bietet Oppermann abschließend an: „Wir als Bürgerinitiative – mit der Maro Genossenschaft als Kooperationspartner – möchten mit dieser Aktion noch einmal deutlich machen, dass wir die Gemeinde bei dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe – Wohnraum für alle zu schaffen – unterstützen wollen und für ein entsprechendes Projekt bereitstehen.“

[Gelbes Blatt, 21.02.2018]

15 Feb.

Nicht ausruhen, weiter bauen

Mitstreiter der Bürgerinitiative „Gemeinsam anders wohnen“

Wohnraum in Holzkirchen ist knapp und teuer. Mit dem Bau von 16 „bezahlbaren“ Mietwohnungen im Sommerfeld will die Marktgemeinde Druck aus dem Kessel nehmen. Ein Anfang, wie die Bürgerinitiative „Gemeinsam Anders Wohnen“ findet. Aber bei Weitem nicht genug.

Holzkirchen – Es tut sich was im Sommerfeld. Wenige Tage nach dem Spatenstich sieht die brachliegende Fläche im Neubaugebiet in Neuerlkam schon mehr nach Baustelle aus als noch beim symbolischen Startschuss für das erste kommunale Wohnbauprojekt der Marktgemeinde. Das Grundstück ist von einem Bauzaun umfasst, ein Bagger hat den Oberboden abgetragen. Im Laufe des Jahres entstehen hier zwei Mehrfamilienhäuser mit 16 Wohneinheiten (wir berichteten) – bezahlbarer Wohnraum für Geringverdiener auf dem überhitzten Wohnungsmarkt in der Region. Vornehmlich Erzieher und Gemeindemitarbeiter sollen einziehen. 4,2 Millionen Euro steckt die Marktgemeinde in dieses Pionierprojekt. Ein erster wichtiger Schritt. Aber nur ein erster, einsamer Tropfen auf den heißen Stein – diese Ansicht vertritt zumindest die Bürgerinitiative „Gemeinsam Anders Wohnen“. Zwar begrüße man, dass die Marktgemeinde mit den beiden kommunalen Wohngebäuden jetzt endlich an Normal- und Geringverdiener denken würde. „Sie darf sich jetzt aber nicht auf dem Erreichten ausruhen“, fordert Sebastian Oppermann, Sprecher und Initiator der Bürgerinitiative. ,,Wir Holzkirchner benötigen weit mehr bezahlbare Wohnungen als nur diese 16 Einheiten.“ Denn gerade Familien, Angestellte im Einzelhandel oder Handwerker könnten sich Mieten von inzwischen 16 Euro pro Quadratmeter und mehr nicht leisten. Bezahlbarer Wohnraum wird händeringend gesucht. Beispiele, wie angespannt und prekär die Wohnsituation in Holzkirchen mittlerweile ist, gebe es allerhand. Die Baugenossenschaft Holzkirchen etwa, berichtet Oppermann, habe seit Jahren über 200 Personen auf ihrer Warteliste stehen. Auch seine Bürgerinitiative, die sich erst im Herbst vergangenen Jahres gegründet hat, könne innerhalb kürzester Zeit knapp 50 Wohnungsinteressenten vorweisen. Die Nachfrage ist nachweislich groß. Nur am Angebot mangelt es. Hier will die Bürgerinitiative ansetzen. Im Gespräch mit unserer Zeitung hat Oppermann die Vision einer Baugenossenschaft mit Herz bereits vorgestellt: eine Wohngemeinschaft für Alt und Jung mit sozialem Gedanken. Auch ein Konzept mit konkreten Zahlen gibt es bereits. Die Eckdaten: Ein Mehrgenerationenbau mit 35 Wohneinheiten zwischen 30 bis 140 Quadratmeter groß für rund 70 Personen. Nur wo soll dieser bezahlbare Wohnraum entstehen? „Ein geeignetes Grundstück haben wir leider noch nicht“, sagt Oppermann. Mittlerweile hat die junge Initiative allerdings einen erfahrenen Kooperationspartner an ihrer Seite. Die Maro Genossenschaft würde den Bau eines Mehrgenerationen-Projekts federführend betreuen (siehe Kasten), vom Bau bis zur Vergabe der Wohnungen. Die Bürgerinitiative fungiere dabei als Vermittler zwischen Maro und Marktgemeinde, erklärt Oppermann. Letztere habe zwar Flächen, die bebaut werden könnten, allerdings sei sie mit dem Projekt in Neuerlkam ausgelastet. „Wir würden in die Bresche springen. „Als Zeichen für ihre Bau-Bereitschaft haben sich rund 20 Mitglieder der Bürgerinitiative kürzlich an der Baustelle im Sommerfeld getroffen. „Wir möchten mit dieser Aktion noch einmal deutlich machen, dass wir die Gemeinde bei dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe – Wohnraum für alle zu schaffen – unterstützen“, sagt Oppermann. „Wir stehen parat.“ Damit die beiden Mehrfamilienhäuser, die dort hinter den Bauzäunen in die Höhe wachsen, tatsächlich erst der Anfang sind.

Bürgerinitiative hofft auf neue Baugenossenschaft
Die MARO Genossenschaft für selbstbestimmtes und nachbarschaftliches  Wohnen wurde im Sommer 2012 gegründet. Seither treibt sie den Bau von  gemeinschaftlichen Wohnformen für junge und ältere Bewohner im  ländlichen Raum voran. Aktuelle Projekte realisiert MARO im ganzen  Oberland, unter anderem in Penzberg, Dietramszell und Unterhaching.  Finanziert werden die Bauvorhaben zu weiten Teilen von den Mitgliedern.  Die Genossenschaft wiederum kümmert sich um Planung und Realisierung der  Bauprojekte, die Finanzierung sowie die Vergabe der Wohnungen. " Ein  Kriterium dabei ist die Ortsansässigkeit beziehungsweise der  Lebensmittelpunkt", sagt Sebastian Oppermann. Er hofft, dass die  Mitglieder der Holzkirchner Bürgerinitiative gute Chancen hätten, sollte  gemeinsam mit MARO ein Mehrgenerationen-Komplex in Holzkirchen  entstehen. 

[Merkur, 15.02.2018]

25 Nov.

Eine Genossenschaft mit Herz

Initiativen-Sprecher Sebastian Oppermann über eine Wohnbau-Vision mit sozialen Grundwerten

Holzkirchen – Vom Stammtisch zur Genossenschaft: Aus einem Treffen in einer Wirtschaft und einer losen Idee hat sich in Holzkirchen eine Initiative mit handfesten Zielen entwickelt. „Gemeinsam anders wohnen“ strebt ein Baugenossenschaftsmodell an, in dem soziale Werte und das gegenseitige Einanderhelfen großgeschrieben werden. Im Interview erklärt Sprecher Sebastian Oppermann, worauf es in der Gemeinschaft ankommt, wieso ein Mitglieder-Casting deswegen durchaus hilfreich wäre und wie Jung und Alt vom Konzept profitieren können.

Herr Oppermann, warum braucht Holzkirchen eine zweite Baugenossenschaft?

Oppermann: In Holzkirchen sind Wohnungen knapp. Vor allem die für Leute, die keine Superverdiener sind. Da hat die Baugenossenschaft Holzkirchen schon Großartiges geleistet. Aber es ist ja so, dass sie sich in den vergangenen Jahren auf die Instandhaltung des Bestandes konzentriert hat. Da ist verständlicherweise das Bauen ins Hintertreffen geraten.

Sie wollen also weniger als Konkurrent auftreten, sondern eher in die Bresche springen?

Oppermann: Ich sehe es generell nicht als Konkurrenz, weil das genossenschaftliche Modell ein Miteinander ist. Da ist Konkurrenzdenken fehl am Platz. Wenn man sich den Wohnungsmarkt anschaut, kann es gar nicht genug Genossenschaften geben.

Viele Genossenschaften beschränken sich auf die reine Bautätigkeit. Ihre Vision geht ein gutes Stück weiter. Es soll eine Gemeinschaft entstehen und geformt werden.

Oppermann: Richtig, das spiegelt sich ja in unserem Namen wider. Nicht nur nebeneinander her, sondern miteinander wohnen. Das Miteinander ist ein ganz zentrales Ziel. Dass man sich gegenseitig unterstützt, dass man Synergieeffekte nutzt.

Wie soll das funktionieren?

Oppermann: Der eine ist handwerklich begabter als der andere, dafür hat jemand anderes einen grünen Daumen. So kann man sich mit seinem Wissen und Fähigkeiten unterstützen. Was auch dazu führt, dass ältere Menschen möglichst lange in der Wohnung leben können. Und nicht, nur weil die Person nicht mehr einkaufen gehen können, in ein Altenheim müssen. Das Einkaufen kann von einem Nachbarn übernommen werden.

Diese Struktur – jung und alt bunt gemischt – soll über die Größe der Wohnungen geregelt werden. Gibt es Beispiele, wo das funktioniert?

Oppermann: Das, was wir uns für Holzkirchen wünschen, gibt es andernorts schon. Die Wogeno in München testet sogenannte Cluster-Einheiten, die man früher salopp als WG bezeichnet hat. Das ist immer mehr im Kommen, und das gibt es auch für Senioren. Innerhalb der Cluster können sich die Bewohner aber in ihre eigenen vier Wände zurückziehen.

In Ihrem Konzept sind bereits erste Zahlen verankert. Lose Anfragen oder handfeste Interessenten?

Oppermann: Wir haben im Moment 40 Unterstützer, von denen die Hälfte konkret Wohnraum sucht. Die Erfahrung, auch von anderen Genossenschaften, hat gezeigt: Wenn man so einen Gemeinschaftsgedanken hat, wird dieser umso einfacher zu leben, umso mehr Personen auf dem Areal wohnen. So hängt man nicht aufeinander, und es treten seltener Konflikte auf.

Viele Bewohner, viele Charaktere treffen dort aufeinander. Einig müssten die sich vor allem in einem sein, damit das Zusammenleben funktioniert: die Überzeugung, sich einbringen zu wollen. Braucht es dafür ein Casting?

Oppermann: Klar, wir werden an dem Konzept noch arbeiten. Grundvoraussetzung ist am Ende aber, dass man sich damit identifiziert. Wenn das nicht der Fall ist, dann passt man eben nicht zusammen. Einen sozialen Charakter sollte man mitbringen, sonst ist die Idee der Nachbarschaftshilfe obsolet. Andernfalls wird die Person in diesem Konstrukt nicht glücklich – und alle anderen auch nicht. Wenn Sie das Casting nennen wollen, bitte (lacht).

Was Sie beschreiben, geht weit über eine Zweck-Genossenschaft hinaus. Ist Ihr Ansatz eher eine Genossenschaft mit Herz?

Oppermann: Definitiv. Eben ein genossenschaftliches Modell, das dem Menschen zugutekommt – und nicht dem Objekt. Dafür müssen wir das Rad nicht neu erfinden. Es gibt überall Projekte, die auf diese Weise funktionieren. Allein hier in Holzkirchen das Repair-Café. Daraus ist der Gedanke entstanden, einen Werkraum einzurichten. Da kann ich hingehen, wenn mein Fahrrad kaputt ist, ich aber zwei linke Hände habe.

Was muss man mitbringen, um Mitglied zu werden?

Oppermann: Wir sind ja noch eine Initiative, daher können Sie noch nicht Mitglied werden. Aber wir sind um jede Person dankbar, die unsere Vision mitträgt und Tatkraft einbringt, um unsere Vision Wirklichkeit werden zu lassen.

Wie konkret ist diese Vision denn? Haben Sie etwa schon ein bestimmtes Grundstück ins Auge gefasst?

Oppermann: Wir haben schon mit verschiedenen Baugenossenschaften in der Region Gespräche geführt und abgetastet, was machbar ist und was nicht. Auch bei der Gemeinde haben wir angefragt. Aber noch ist alles offen.

[Merkur, 25.11.2017]

Zeitungsartikel vom 25.11.2017
01 Jun.

Linderung auf teurem Pflaster

Wer in Holzkirchen nicht nur arbeiten, sondern auch wohnen will, hat’s nicht leicht. Wohneigentum ist teuer, und selbst Mietwohnungen sind selten erschwinglich. Jetzt will die Gemeinde dagegen steuern.

Holzkirchen – Einen Anstoß für die Debatte hatte ein Antrag in der Bürgerversammlung gegeben. Eine Bürgerin forderte, die Gemeinde solle bezahlbaren, seniorengerechten Wohnraum schaffen. Auch Bürgermeister Josef Höß (CSU) sieht großen Handlungsbedarf. Derzeit habe die Gemeinde 150 eigene Wohnungen, erklärte er im Gemeinderat. „Aber 50 davon stammen aus den 50er Jahren – die sollten energetisch und behindertengerecht ertüchtigt werden.“ Die Idee geht aber noch weiter: Die Gemeinde will ein Konzept erarbeiten, um selbst bezahlbaren Wohnraum für Mieter zu schaffen, statt das Feld allein privaten Investoren zu überlassen, die wenig Interesse haben, die Preisspirale zurückzudrehen. Einige Grundstücke könnten sich dafür schon anbieten. Etwa in Maitz und im Bereich Flachsfeldstraße, wo sich der Markt Grundstücke gesichert hat. Oder im Zentrum, wo demnächst attraktive Stellen für Mehrparteienhäuser frei werden – etwa an der Frühlingstraße, wenn die Polizei an den HEP-Kreisel umzieht. Der Gemeinderat nahm den Ball aus der Bürgerversammlung gern an – allerdings nicht nur beschränkt auf Senioren. „Das betrifft eigentlich alle Altersgruppen“, meinte Marcus Ernst (FWG). Das sieht auch Bernd Weinmann jun. (CSU) so: „Ich glaube, dass wir auch allgemein Wohnungen für abhängig Beschäftigte ohne Vermögenbrauchen.“ Dem konnte Robert Wiechmann (Grüne) nur zustimmen: „Es gibt viel zu viele, die in Holzkirchen mit Löhnen hantieren müssen, die eigentlich zu gering sind.“ Wobei klar sei, dass das Projekt bezahlbarer Wohnraum nicht auf die Schnelle umgesetzt werden könne, meinte Weinmann: „Das wird eine Aufgabe sein, die uns in nächster Zeit beschäftigen muss.“ SPD-Fraktionssprecherin Elisabeth Dasch bat darum, dem Thema eine Sondersitzung zu reservieren. „Es wäre schade, wenn wir das in einer halben Stunde abhandeln müssten.“ Ernst warnte indes davor, den Fokus allein auf den Hauptort Holzkirchen zu richten. „Es wäre sehr bedauerlich, wenn Föchinger, Fellacher und Hartpenninger dann gezwungen wären, hierherzuziehen.“ Gerade, weil sie besonders in die Dorf-Vereine eingebunden seien. An klassischen sozialen Wohnungsbau, für den auch Fördergelder fließen, sei allerdings nicht gedacht, erklärte Bürgermeister Höß. Bei Sozialwohnungen läge die Entscheidung, wer als Mieter den Zuschlag bekommt, nämlich beim Landkreis Miesbach, nicht bei der Gemeinde. Das bedeute freilich nicht, dass Sozialfälle gar nicht zum Zuge kämen, erklärte er auf Nachfrage von Irmi Ammer (SPD). Nur: „Wer Bedarf hat in unserem Ort, das wissen wir hier am besten“, meinte Höß. Und schließlich sollen auch normale Arbeitnehmer von erschwinglicheren Wohnungen profitieren nicht nur soziale Härtefälle. Die Verwaltung werde umfangreiche Vorbereitungen treffen, kündigte Höß an. „Dann wird man diskutieren, welcher Weg hier einzuschlagen ist.“ Das soll in Bälde geschehen. Die Umsetzung wird aber wohl nicht mehr in Höß‘ letzter Amtszeit als Bürgermeister angepackt, die Ende April 2014 endet. „Der nächste Gemeinderat ist zur Umsetzung aufgefordert“, so Höß.

[Merkur, 01.06.2013]