06 Okt

Hoffnung auf neues Gesetz

Das Haus an der Türkenstraße 50, rechts im Bild. Hier sollen Luxuswohnungen entstehen. Foto: Achim Schmidt 

Lange war es ein nervenzehrender Kampf zwischen Mietern und Eigentümer in der Türkenstraße 50 (wir berichteten). Ende Mai zog der letzte Mieter dann aus dem Gebäude aus. Im Juni wurde gleich der Bauantrag für den Neubau von Wohn- und Geschäftseinheiten gestellt. Nachdem das Nachbargebäude und ein Rückgebäude nebenan bereits abgerissen wurden, will der Investor nun auch das Rückgebäude der Nummer 50 abreißen und das geschützte Vorderhaus sanieren.

Der Bezirksausschuss (BA) Maxvorstadt lehnte das einstimmig ab, genauso wie die dafür beantragten Baumfällungen und eine Änderung des Bauplans. Das Vorhaben an der Türkenstraße sei ein „besonders schlimmes Projekt der Hypo-Gentrifizierung“, fasst Ruth Gehling (Grüne) zusammen. Insgesamt mussten 60 Mietparteien dem Luxus-Neubau der „Legat Living“ weichen, der soar drei Wohneinheiten weniger vorsieht, als bisher vorhanden waren.

Im Bezirksausschuss bedauert man, dass das vom Bundestag beschlossene Baulandmobilisierungsgesetz noch nicht auf Landesebene umgesetzt wurde. Deswegen forderten die Grünen und SPD in einem gemeinsamen Antrag, „die Bestimmungen des Baulandmobilisierungsgesetzes für Bayern schnellstmöglich anwendbar zu machen“. Dieses Gesetz strebt an, Vorgänge wie hier an der Türkenstraße zu verhindern.

So soll etwa die spekulative Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gestoppt und das kommunale Vorkaufsrecht erweitert werden, damit Mieter „besser vor Verdrängung geschützt“ werden. Der Forderung, dass dieses Gesetz nun auch in Bayern und damit in München durchgesetzt wird, wurde im Gremium mehrheitlich zugestimmt.

[Merkur, 06.10.2021]

16 Sep

Mieten im Umland ziehen kräftig an

In Großstädten wie München sind die Mieten bereits extrem hoch. Sie steigen derzeit verglichen mit dem Umland weniger stark. Foto: Jens Hartmann 

In der bayerischen Landeshauptstadt kommt der Mietpreisanstieg allmählich zur Ruhe: Im ersten Halbjahr 2021 sind die Mieten in München verglichen mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum mit zwei Prozent nur noch gering gestiegen (siehe Tabelle). Insgesamt bleibt das Mietpreisniveau mit einem Quadratmeterpreis von über 19 Euro aber hoch.

Das geht aus gestern veröffentlichten Zahlen des Immobilienportals Immowelt hervor. Das Online-Portal hat eigenen Angaben zufolge auf immowelt.de inserierte Mietangebote von Wohnungen zwischen 40 und 120 Quadratmetern ausgewertet. Dabei seien ausschließlich Angebote berücksichtigt worden, die vermehrt nachgefragt wurden, hieß es.

Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum 2020 zeigt sich: Während sich der Mietmarkt in Großstädten wie München beruhigt hat, klettern die Preise im Umland rasant – teilweise im zweistelligen Prozentbereich. Wer etwa im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen Anfang 2021 einen neuen Mietvertrag abgeschlossen hat, musste zehn Prozent mehr bezahlen als noch ein Jahr zuvor. Im Kreis Garmisch-Partenkirchen lag das Plus sogar bei zwölf Prozent. Und selbst im ohnehin teuren Landkreis Starnberg haben die Neuvertragsmieten mit neun Prozent noch einmal kräftig zugelegt.

„Besonders im Süden Bayerns haben die Angebotsmieten in den vergangenen zwölf Monaten einen großen Sprung gemacht“, so das Fazit der Immowelt-Auswertung. Dass in den kleineren Städten und ländlichen Regionen die Mieten stärker anstiegen als in den Metropolen, könne mit der durch die Pandemie veränderten Nachfrage zusammenhängen. „Dank Homeoffice zieht es immer mehr Menschen aus den Städten heraus.“

Ein anderer Corona-Effekt lässt sich auch bei Eigentumswohnungen beobachten: Laut einer gestern veröffentlichten Studie für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat die Pandemie die Immobilienpreise zusätzlich steigen lassen. Laut der Untersuchung von Ökonomen der Universität Regensburg betrug der Pandemieeffekt bei den Angebotspreisen für Eigentumswohnungen im bundesweiten Schnitt 0,7 Prozentpunkte. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern seien es sogar 1,1 Prozentpunkte. Insgesamt hätten die Angebotspreise für Eigentumswohnungen zwischen dem ersten Quartal 2020 und dem zweiten Quartal 2021 um durchschnittlich 17 Prozent zugelegt, die für Einfamilienhäuser um 15,6 Prozent.

Die Forscher hatten für ihre Untersuchung die tatsächliche Entwicklung auf den Immobilienmärkten mit Prognosen verglichen, um so den Corona-Effekt herauszufiltern. Wohlhabende private Haushalte hätten in Zeiten geschlossener Läden und ausgefallener Urlaubsreisen mehr Geld zur Verfügung gehabt und in Immobilien investiert, nennt die Studie einen Grund für den Preisanstieg. Ein anderer seien gestiegene Baupreise durch Arbeitskräfte- und Materialmangel.

[Merkur, 16.09.2021]

16 Sep

Immobilien für immer mehr Menschen zu teuer

Frankfurt/Main (dpa) – „Wer zahlt diese Preise eigentlich noch?“, fragt sich selbst der große Immobilienfinanzierer Dr. Klein bei seiner jüngsten Analyse der süddeutschen Metropolregionen.

Im zweiten Quartal dieses Jahres sind die Durchschnittspreise für Wohnungen und Häuser in München, Stuttgart und Frankfurt demnach schon wieder 10 Prozent höher als ein Jahr zuvor. In den vergangenen 15 Jahren haben sich die Preise insgesamt verdoppelt bis verdreifacht. Einzelne Führungskräfte aus Industrie und Banken seien aber immer noch zahlungskräftig genug, sagt der Dr.-Klein-Experte Roland Lenz.

Wohnen im Umland nur mit Homeoffice möglich

Allen Übrigen bleibe nur die Flucht ins Umland – durchaus mit Folgen für das künftige Arbeitsleben. „Eine Arbeitskultur mit Homeoffice-Regelungen halte ich für irreversibel, da die meisten Eigentümer so weit rausgezogen sind, dass ein tägliches Pendeln eine große Belastung wäre“, sagt Lenz. Und weitere Zahlen zeigen: Die steigenden Immobilienpreise sind kein reines Metropolen-Phänomen – und auch kein rein süddeutsches.

Konnte die Corona-Krise dem Immobilienmarkt in Deutschland schon nichts anhaben, so rechnen die Experten nun auch noch mit Nachholeffekten. Laut einer Prognose des Hamburger Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung wird der Immobilien-Gesamtumsatz im laufenden Jahr um 6,3 Prozent auf 311,1 Milliarden Euro steigen. Im bisherigen Rekordjahr 2020 hatte der Umsatz knapp 293 Milliarden Euro betragen. Treiber sind vor allem die Wohnimmobilien, deren Volumen vom Vorjahr voraussichtlich um 7,5 Prozent auf 237,7 Milliarden Euro wächst. Gleichzeitig werde die Zahl der Transaktionen nur leicht um 1,4 Prozent steigen. Der Durchschnittspreis pro Kauffall steigt also weiter.

Keine Atempause im Corona-Jahr 2020

Eine Atempause habe es im Corona-Jahr 2020 nicht gegeben, erklärt Gewos-Experte Sebastian Wunsch. Das Marktgeschehen verlagere sich zunehmend aus den leergekauften Märkten in den Großstädten in die Speckgürtel und in ländliche Räume. Der Trend ins Umland scheine sich im Licht der Pandemieerfahrungen zu verstärken, sagte Wunsch. Besonders gefragt sind Ein- und Zweifamilienhäuser, für die Gewos im vergangenen Jahr ein Allzeithoch von bundesweit 259 300 Kauffällen registrierte.

Die Preise sind damit weiter gestiegen, berichtet Gewos auf Grundlage der tatsächlichen Transaktionen. „Die Preisdynamik im Bereich des selbst genutzten Wohneigentums hat sich im Zuge der Corona-Pandemie noch einmal verstärkt. Mit 10,8 Prozent bei Eigenheimen und 7,2 Prozent bei Eigentumswohnungen haben wir in 2020 die stärksten Preiszuwächse seit Beginn unserer Aufzeichnungen in den 80er-Jahren festgestellt.“

Das bestätigt auch eine Untersuchung von Immobilienökonomen der Universität Regensburg im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Demnach betrug der Pandemieeffekt bei den Angebotspreisen für Eigentumswohnungen im bundesweiten Durchschnitt 0,7 Prozentpunkte. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern seien es sogar 1,1 Prozentpunkte gewesen, wie die Stiftung am Mittwoch berichtet hatte. Insgesamt hätten die Angebotspreise für Eigentumswohnungen zwischen dem 1. Quartal 2020 und dem 2. Quartal 2021 sogar um durchschnittlich 17 Prozent zugelegt, die für Einfamilienhäuser um 15,6 Prozent.

Kleinerer Effekt bei den Mieten

Bei den Mieten sei der Effekt kleiner und zudem regional unterschiedlich: Während die Pandemie das Wachstum bei Neu-Mieten in Groß- und Mittelstädten leicht gedämpft habe, seien die Angebotsmieten für Neuverträge in ländlicheren Regionen durch Corona zusätzlich nach oben gegangen. Bundesweit sind aber auch die Angebotsmieten um 5,0 Prozent gestiegen, so dass die Mieter-Haushalte einen immer größer werdenden Teil ihres Budgets für Wohnen aufbringen müssen.

Getrieben von hohen Baupreisen und fehlenden Anlagealternativen sind Mieten und Immobilien-Kaufpreise wieder stärker gestiegen als die Einkommen, stellt die Regensburger Studie fest. Das vergrößere die Ungleichheit auf den Märkten. Wohneigentum werde vielerorts vor allem für Haushalte mit durchschnittlichen oder kleineren Einkommen „zunehmend unerschwinglich“.

[Süddeutsche Zeitung, 16.09.2021]

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/immobilien-immobilien-fuer-immer-mehr-menschen-zu-teuer-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210915-99-229522

03 Sep

Gelungene Kooperation

Kreis und Gemeinde übergeben Wohnungen in der Waldkolonie

Die Baumaßnahmen sind nach ziemlich genau zwei Jahren abgeschlossen, die Wohnungen schlüsselfertig: Auf dem Grundstück des Landkreises München in der Putzbrunner Waldkolonie ziehen in diesen Tagen die ersten Bewohner in die neue Anlage mit insgesamt 76 Wohnungen ein. Damit findet ein Gemeinschaftsprojekt sein Ende: 54 der Wohnungen werden durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamts belegt, 22 entfallen auf die Gemeinde Putzbrunn. Diese seien vor alllem für Beschäftigte der Gemeinde vorgesehen, hatte Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD) während der Bauzeit stets betont. „Nicht zuletzt Erzieherinnen, die man auf dem Markt gar nicht mehr bekommt, wenn man ihnen keine Möglichkeit zum Wohnen anbietet“, sagte der Rathauschef. „Und dann sollen auch Einheimische zum Zug kommen, die auf dem Mietmarkt Probleme haben.“ Die Nettomiete liege bei zehn Euro pro Quadratmeter.

Landrat Christoph Göbel (CSU) zeigt sich von der Kooperation staatlicher und kommunaler Kräfte bei der Planung, Finanzierung und Realisierung der hochmodernen Wohnanlage begeistert: „Ohne die Bereitstellung des betreffenden Grundstücks aus dem kreiseigenen Liegenschaftsbestand sowie die Förderung durch die Staatsregierung mittels des Kommunalen Wohnraumförderungsprogramms wäre weder die Umsetzung des Projekts noch die nun ermöglichte Nettokaltmiete realisierbar gewesen“, betont Göbel.

Bei den Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen handelt es sich um „soliden Wohnungsbau, der über Jahrzehnte ein lebenswertes Umfeld für Einheimische und Mitarbeiter von Gemeinde und Landkreis bietet“, heißt es in einer Pressemitteilung des Landratsamtes. Freundlich und offen wirke die Anlage wegen ihrer großzügigen Balkone und der harmonischen Kombination der Baustoffe mit gestaltungsprägenden Holzanteilen sowie der Freianlagen und Spielplätze.

Alle Wohnungen sind barrierefrei angelegt, je drei der Wohnungen von Gemeinde und Landkreis zudem rollstuhlgerecht ausgebaut. Im Sinne des Klimaschutzes und einer zeitgemäßen Ausstattung wurden dabei moderne Technologien berücksichtigt, so wird die Anlage mit Fernwärme überwiegend aus Geothermie beheizt. Die Dachflächen der Gebäude werden für eine genossenschaftlich betriebene Photovoltaik-Anlage genutzt. Jeder Wohnung ist ein Tiefgaragenstellplatz mit Stromanschluss zugewiesen, um elektrisch betriebene Fahrzeuge laden zu können.

Die Gesamtkosten von Landkreis und Gemeinde werden sich auf rund 29 Millionen Euro belaufen, der Landkreis-Anteil beträgt etwa 21 Millionen Euro. Der Freistaat Bayern unterstützt das Projekt nach dem Kommunalen Wohnraumförderprogramm mit 30 Prozent der förderfähigen Kosten, bei den beiden Landkreisgebäuden macht das also bis zu 8,5 Millionen Euro aus.

„Mit der neu errichteten Wohnanlage haben wir in meinen Augen ein äußerst attraktives Angebot geschaffen, mit der wir auch unserer Fürsorgepflicht für unsere Beschäftigten nachkommen“, sagte Landrat Göbel.

[Süddeutsche Zeitung, 03.09.2021]

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/putzbrunn-gelungene-kooperation-1.5400231

03 Sep

Studenten in Wohnungsnot

An Bayerns Unis soll im Herbst der Alltag zurückkehren. Viele Studierende wissen aber noch nicht, ob ihre Kurse online oder in Präsenz stattfinden. Wer nicht am Studienort wohnt, steht also unter Druck – und sucht verzweifelt nach einer Wohnung.

München – Lenn Jonas Milke klickt sich durch den Münchner Wohnungsmarkt. Dann verschickt der 19-Jährige Bewerbungen, um bald nach München umziehen zu können. Gerade wohnt er noch bei seinen Eltern in Essen – obwohl er schon seit einem Jahr Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität studiert.

„Als mein Studium letzten Herbst begonnen hat, hatte ich eine Wohnung in München. Genutzt habe ich sie im Lockdown aber nicht“, sagt Milke. Wegen des Online-Unterrichts war das kein Problem. In München kannte er niemanden, außerdem konnte er sich die Miete sparen. „Jetzt hat die Uni für das Wintersemester ein Hybridkonzept angekündigt“, sagt Milke. Und so günstig wie jetzt standen die Zeichen für Unterricht vor Ort lange nicht. Wissenschaftsminister Bernd Sibler versprach erst am Dienstag, dass die Universitäten und Hochschulen zur Präsenzlehre zurückkehren werden. Von Essen nach München pendeln kann Milke nicht. So ist er nun erneut auf Wohnungssuche – doch die läuft schleppend.

„Ein WG-Zimmer zu finden, ist schwieriger als vergangenen Herbst“, sagt Milke. Kein Wunder, sagt er. Jetzt, da die Universitäten und Hochschulen wieder Präsenzunterricht anbieten, suchen nicht nur Erst-, sondern auch höhere Semester. „Zudem gibt es viele, die wegen der Online-Kurse nicht gleich mit dem Studium begonnen haben“, mutmaßt er.

Schon im Juli standen rund 9600 Studierende beim Studentenwerk München auf der Warteliste für ein Zimmer im Wohnheim. 11 000 Zimmer bietet das Studentenwerk an: 9500 in München, den Rest in Freising und Rosenheim. „Trotz Pandemie hatten wir kaum weniger Anfragen. Die Wartelisten sind immer lang. Im Juli 2020 warteten 8300 Studierende auf einen Platz“, sagt Sophie Plessing. Im Lockdown ließ sich aber beobachten: „Viele waren nicht da, haben ihre Wohnung aber gehalten.“ Teure Online-Semester bei um die 350 Euro Miete im Monat. Doch die Plätze sind begehrt, im Verhältnis günstig – und ersparen jetzt die erneute Wohnungssuche.

Obwohl die Nachfrage zum Wintersemester aktuell gewohnt hoch ist, machte sich die Pandemie auch beim Studentenwerk Augsburg bemerkbar: „In den Sommersemestern 2020 und 2021 haben viele den Platz doch nicht angenommen oder ihren bisherigen aufgegeben“, sagt Stefan Rehm. Jetzt stehen wieder rund 650 Studierende auf der Liste. In den Wohnheimen des Studentenwerkes Niederbayern/Oberpfalz standen vorigen Sommer in Regensburg kurz sogar Zimmer leer, da Studierende aus dem Ausland nicht einreisen konnten. „Überraschenderweise fragen nun wieder viele internationale Studierende nach“, sagt Nicolas Müller. Die Unsicherheit unter den Studenten generell sei aber noch spürbar.

Viele Bewerber erhalten erst im Laufe der Sommerferien ihre Zulassung zum Studium. So weiß auch Sarah Graf aus Neumarkt in der Oberpfalz erst seit gut zwei Wochen, dass sie ab Oktober Tourismusmanagement an der Hochschule München studieren wird. Der Studiengang ist klein und so die Hoffnung Grafs auf Präsenzkurse groß. „Ich weiß es noch nicht, aber ich hoffe, dass wir vor Ort Unterricht haben“, sagt die 18-Jährige. „Im Juli habe ich mich schon vorsorglich bei zwei privaten Wohnheimen beworben, warte aber noch auf eine Zusage“, sagt sie. Erst mit der offiziellen Einschreibung konnte sie sich nun auch beim Studentenwerk bewerben. „Die Warteliste ist lang, da stehen meine Chancen schlecht.“

Und weil Graf nur 400 Euro für ein Zimmer bezahlen kann, hat sie es auch auf dem privaten Wohnungsmarkt schwer. Wenn sie in zwei Wochen noch kein Zimmer hat, wird sie die Suche in München aufgeben. „Den Studiengang gibt es auch in Deggendorf, wo die Wohnungssuche nicht so schwierig ist“, sagt sie. Allerdings platzt dann ihr Traum vom Umzug in die Großstadt.

Lenn Jonas Milke will nicht noch ein Jahr bei seinen Eltern leben und via Zoom studieren. Durch Umzug und Präsenzlehre hofft er, dass sein neuer Lebensabschnitt endlich beginnt. Notfalls mit einem Bett im Hostel zur Überbrückung.

[Merkur, 03.09.2021]

30 Aug

Traumhafte Mietpreise

Renovieren geht ins Geld. Die Baugenossenschaft Holzkirchen gab seit 2009 etwa zwölf Millionen Euro für die Modernisierung des Altbestands aus. Um durchschnaufen zu können, will man heuer und 2022 auf größere Sanierungen verzichten. In weitere Ferne gerückt ist das Vorhaben, neue Wohnungen zu bauen. Dabei gäbe es ein schönes Grundstück.

Holzkirchen – Die Corona-Pandemie zwang die Baugenossenschaft Holzkirchen zu einer ungewöhnlichen Terminierung. Da 2020 keine Generalversammlung möglich war, fanden jetzt an einem Abend gleich zwei Generalversammlungen hintereinander statt. Von 240 Mitgliedern kamen 41 zur Doppelversammlung in den Saal der Alten Post, maximal 50 wären zugelassen gewesen.

Vorstandsvorsitzender Torsten Altevers präsentierte insgesamt sehr stabile Finanzen und weiterhin im Vergleich fast traumhafte Mietpreise. Wie er auf Nachfrage erklärte, ist die seit über zehn Jahren laufende Sanierungskampagne noch nicht ganz abgeschlossen. Nach einem Kraftakt im Jahr 2019, in dem insgesamt 857 000 Euro in Instandhaltung und Sanierungen (Balkon Birkenstraße) gesteckt wurden, lief bilanziell sogar ein Defizit auf. „Das konnten wir aber 2020 wieder ausgleichen“, sagt Altevers. Zudem reichte es im Vorjahr zu weiteren Sanierungen im Gesamtwert von 216 000 Euro. Die Kapitalreserve lag 2020 bei 607 000 Euro. Um das Polster wieder aufzufüllen, legt die Genossenschaft bei den Sanierungen eine zweijährige Pause ein.

Ab 2023 soll wieder angepackt werden. Der ehemalige „Polizistenblock“ in der Baumgartenstraße 26 mit seinen zwölf Wohneinheiten wartet noch auf Generalsanierung. „Da dürfte ein siebenstelliger Betrag fällig werden“, schätzt Altevers. Komplettiert wird die Modernisierungsliste von zwei Häusern in der Haidstraße (acht Einheiten) und einem Zwölf-Parteien-Haus in der Tegernseer Straße.

Selbst nach den Sanierungen genießen die Mieter günstige Mieten. Die Durchschnittsmiete 2020 lag bei 6,55 Euro je Quadratmeter. Für Wohnungen mit Zentralheizung wurden 8,50 Euro verlangt, für Wohnungen mit Elektroheizung bis zu 7,50 Euro. „Unser Ziel bleibt, die Mitglieder mit preiswertem und gutem Wohnraum zu versorgen.“ Entsprechend lang ist die Liste der Wohnungsbewerber. „Die Nachfrage steigt ständig“, sagt Altevers, „jede Woche kommen zwei bis drei Anfragen rein.“ Die Fluktuation in den insgesamt 219 Genossenschaftswohnungen ist eher gering. Nur bis fünf bis zehn Wohnungen können jedes Jahr neu vergeben werden.

Ein Neubau könnte Druck aus dem angespannten Wohnungsmarkt in Holzkirchen nehmen. Die Baugenossenschaft verfügt über ein baureifes Grundstück in der Lindenstraße. „Wir würden gerne bauen, aber wir dürfen uns finanziell auch nicht überheben“, betont Altevers. Zunächst gelte es, den Altbestand fertig zu sanieren und zu modernisieren. Wann der Neubau ein Thema werden wird, darauf wollte sich der Vorsitzende nicht festlegen. „In den nächsten beiden Jahren sicher nicht.“

Bei den turnusmäßig fällige Neuwahlen – die Posten in Vorstand und Aufsichtsrat sind jeweils auf drei Jahre befristet – ergaben sich kaum personelle Änderungen. Altevers wurde von den Mitgliedern in seinem Amt bestätigt, ebenso die Aufsichtsräte Werner Bauer, Eva Bartosch und Sylvia Weißhart. Für Anton Pfisterer, der nicht mehr für das Gremium kandidierte, rückte Leon Herl nach.

[Merkur, 30.08.2021]

28 Aug

„Homeoffice hat den Druck erhöht“

INTERVIEW – Bernhard Mayer über steigende Bodenpreise, Ursachen und unmoralische Anfragen

Landkreis – Der Trend ist keine Überraschung, den die Bodenrichtwerte der Jahre 2019/20 für den Landkreis ergeben haben: Die Preise für Immobilien sind erneut gestiegen. Aufhorchen lässt der Umfang: bis zu 25 Prozent. Bernhard Mayer, Vorsitzender des Gutachterausschusses, erklärt, wie diese Zahlen ermittelt wurden, was sie aussagen und welche Schlüsse sich daraus ergeben. Der 54-jährige Architekt arbeitet seit fünf Jahren am Landratsamt Miesbach, leitet die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses und berät rund um das Thema Bauleitplanung.

Herr Mayer, Sie kennen die Zahlen am besten: Wie sehen Sie die Entwicklung im Landkreis?

Der Gutachterausschuss, dessen Vorsitzender ich bin, hat die Aufgabe, objektiv über die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt zu berichten. Aber wir sind regelmäßig mit den Auswirkungen der Preisentwicklung beschäftigt – und zwar am Telefon, um besorgte Bürger zu beruhigen.

Wieso das denn?

Weil weiterhin einfach hohe Werte am Markt sind. Die Immobilienwerte florieren, und wir bekommen die Bedenken der Landkreisbürger zu spüren. Sie haben Angst, dass Schenkungs- oder Erbschaftssteuern so hoch werden, dass es für die Begünstigten zu viel werden könnte. Denn die Bodenrichtwerte sind ja per Gesetz Grundlage für die Wertermittlung von Immobilien. Viele kommen auch vom Termin beim Steuerberater und fragen bei uns, ob da nicht doch was geht.

Also dass Sie Werte nach unten korrigieren sollen?

Genau. Oder dass wir einen niedrigeren Bodenwert für das betreffende Grundstück ausweisen. Das können wir natürlich nicht. Wir werten als Gutachterausschuss die Preise der Immobiliengeschäfte aus, die im betreffenden Zeitraum – jetzt also 2019 und 2020 – vollzogen wurden, und ermitteln die Richtwerte. Wirklich helfen können den Betroffenen nur Rechtsanwälte und Steuerberater, die bei der Planung der Übergabe gut beraten.

Die Immobilienpreise klettern seit Jahren. Wie ist das zu erklären?

Weiterhin mit der niedrigen Zinssituation. Wer Vermögen hat, sucht händeringend nach Möglichkeiten, es gewinnbringend anzulegen oder es zumindest zu parken, ohne dass es an Wert verliert. Seit 2010 ist im Landkreis die Wertsteigerung sehr stark zu spüren. Vor allem in Schliersee/Neuhaus und im Tegernseer Tal, vor allem bei den Seelagen in Rottach-Egern, den Höhenlagen in Tegernsee und auch in Kreuth. Holzkirchen und Otterfing zählen mit ihrem S-Bahn-Anschluss schon zum Speckgürtel von München. Wobei man sagen muss: Die Entwicklung ist am Tegernsee am stärksten und eindeutigsten.

An der Spitze liegt immer noch München.

Ja, aber wohl nicht mehr so stark. Es verlagert sich. Und dabei werden Orte wie Waakirchen, Warngau, Valley und auch Kreuth mitgerissen, die weniger gut erschlossen sind. Aber der Haupttrend geht immer noch auf die Premiumlagen.

Wie werden diese Zahlen denn ermittelt?

Grundlage ist die Kaufpreissammlung, die wir am Landratsamt in der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses führen. Dort sind wir ein Team von vier Personen, davon für den Gutachterausschuss 2,6 Vollzeitstellen. Wir erfassen die Kaufurkunden und qualifizieren die zur Auswertung geeigneten Daten. Dabei müssen wir auch die wertrelevanten Bestandteile ermitteln. Wir bereiten die Fälle auf – online meist über das Geo-Portal, aber auch vor Ort, wenn es anders nicht geht. Und wir recherchieren auch darüber hinaus.

Wie machen Sie das?

Zum einen setzen wir sehr stark darauf, dass die Fragebögen von den Käufern beantwortet zurückgeschickt werden. Die Rücklaufquote liegt bei 70 Prozent, was relativ gut ist. Wir schreiben aber auch Makler an und bitten um die Exposés. Oder wir fahren selbst vor Ort hin, um beispielsweise die Geschoßigkeit zu klären. Generell gibt es die gesetzliche Verpflichtung zur Beantwortung des Fragebogens, aber wir setzen auf Freiwilligkeit.

Und die Gutachter?

Die zwölf Gutachter sind ehrenamtlich im Ausschuss tätig und stammen aus der Branche – Sachverständige und Architekten. Ermittelt wird im Team, wobei der Landkreis in insgesamt 350 Bodenrichtwertzonen aufgeteilt ist. Jede Zone wird ermittelt. Das Prozedere ist sehr stark vom sogenannten intersubjektiven Verfahren geprägt: Mindestens drei Gutachter ermitteln im Dialog in mehreren Arbeitssitzungen. Mit Corona hatten wir einen Hybridmodus: drei bis vier Kollegen vor Ort, weitere online zugeschaltet. Insgesamt kamen wir so auf rund 450 Arbeitsstunden für die aktuelle Erhebung.

Wie groß war denn das Volumen der Kauffälle?

Es waren erneut weniger Kauffälle an unbebauten Grundstücken, die aber höhere Preise erzielt haben. Das ist auch tendenziell zu beobachten. Das liegt daran, dass die unbebauten Grundstücke immer weniger zur Verfügung stehen. Deshalb spielt die Nachverdichtung eine große Rolle – vor allem in Seegemeinden, wo es noch parkähnliche Grundstücke gibt.

Was heißt, es waren weniger Kauffälle?

Insgesamt haben wir 2020 rund 1300 Verkäufe bearbeitet, die ein Gesamtvolumen von etwa einer Milliarde Euro hatten. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass da ein paar Immobilien dabei waren, die vergleichsweise sehr viel Geld gekostet haben. Eine einfache Teilungsrechnung hat hier also keinerlei Aussagekraft. Die investierte Geldsumme stieg jährlich etwa um 20 Prozent. So war es jedenfalls von 2018 auf 2019 und von 2019 auf 2020.

Wie sieht es bei den Eigentumswohnungen aus?

Da haben wir eine sehr große Preissteigerungstendenz, gerade im Neubaubereich. Das kann auch problematisch sein, wenn zu viel Wohnungen als Zweitwohnsitz genutzt werden und so dem Gemeinwesen fehlen, weil sich die Einheimischen diese Preise nicht mehr leisten können.

Corona hat dem Trend zur Immobilie jedenfalls nicht geschadet, oder?

Sicherlich nicht in unserer Region. Gerade durch die Erfahrung, dass Homeoffice funktioniert und man nicht täglich zur Arbeit fahren muss, hat der Druck auf Eigenheimgrundstücke außerhalb der ÖPNV-Achsen zugenommen. Da wird zu Münchner Preisen gekauft, ohne mit der Wimper zu zucken.

Müsste also mehr gebaut werden?

Das kann man so nicht sagen. Der Bereich der Mehrfamilienhäuser ist relativ gut, aber hier sind eher die Träger hochpreisiger Wohnungen aktiv. Auch Einzelhäuser werden ausreichend gebaut. Es wird also genug angeboten, aber der Preisdruck durch hohe Angebote ist groß. Bei unbebauten Baugrundstücken ist relativ wenig am Markt. Dramatisch gering ist es bei den gewerblichen Flächen. Gewerbe-Immobilien werden sehr schwach gehandelt. Das könnte sich langfristig negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung im Landkreis auswirken.

Damit nimmt das Ungleichgewicht weiter zu?

Ja. Gerade im Tegernseer Tal beobachten wir dieses Ungleichgewicht, der Gutachterausschuss kann darüber jedoch nur berichten. Es wäre gut, wenn die bezahlbaren Immobilien in einem guten Verhältnis zu den touristisch genutzten Immobilien stehen würden, wenn ausreichend Gewerbeimmobilien unterschiedlicher Prägung vorhanden wären. Dann müsste die arbeitende Bevölkerung nicht so viel pendeln, und alle Bevölkerungsgruppen hätten Wohnraum. Dann wären wir im Gleichklang.

Das Gespräch führte Dieter Dorby.

[Merkur, 28.08.2021]

23 Aug

Campen auf dem Marktplatz

PROTESTAKTION – Jusos demonstrieren und informieren rund um das Thema bezahlbarer Wohnraum

Holzkirchen – Die Zelte am Marktplatz waren auch ein symbolischer Akt: „Die Wohnungsnot ist für viele schon so groß, dass man das Campieren auf öffentlichen Plätzen in Betracht zieht“, erklärt Tim Siebeneicher, Sprecher der Jusos Miesbach. Gerade Studenten und Rentner könnten sich die Mieten oftmals nicht mehr leisten. Gegen steigende Mieten, fehlenden Wohnraum und explodierende Bodenpreise haben die Jusos am Wochenende im Holzkirchner Ortszentrum demonstriert und informiert. „Wir wollten zeigen, dass wir mit der aktuellen Lage nicht zufrieden sind“, erklärt Sprecher Bruno Peetroons, „angemessenes Wohnen ist ein Grundrecht, das jedem Menschen zustehen sollte!“

Los ging es am Samstag mit einem Infostand vor der Bücherei. Mittags zogen die Demonstranten auf den Marktplatz. Dort gab es zwei Diskussionsrunden, die circa 20 Zuhörer verfolgten. In der ersten Runde saßen unter anderem Hannes Gräbner, Direktkandidat der SPD für die Bundestagswahl, die ehemalige rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini sowie Damiano Parziale von Fridays for Future und Jacob Schaal von der grünen Jugend auf dem Podium. „Hier ging es um ökologisches Bauen“, sagt Siebeneicher. Bei der zweiten Runde informierte SPD-Gemeinderat Simon Ammer über günstiges Wohnen. Parteikollege Sebastian Oppermann berichtete über genossenschaftliches Wohnen. „Es braucht Wohnraum in staatlicher Hand“, meint Siebeneicher. Und mehr Betriebswohnungen.

Eigentlich sollte die Aktion 24 Stunden lang dauern. Am Sonntag gegen 6 Uhr wurden die übrigen Camper, die die Nacht am Marktplatz verbracht haben, dann aber vom Regen vertrieben. „Auch das geplante Frühstück mit Hannes Gräbner ist leider ins Wasser gefallen.“

[Merkur, 23.08.2021]

21 Aug

Hilfe, wir werden vertrieben!

Protestaktion gegen Wandel in der Türkenstraße – Kritik an Verdrängung von Mietern

Die Slogans auf den Wahlplakaten machen stutzig: „Wir entsorgen Denkmalschutz für einen entspannten Abriss“ ist darauf zu lesen. Oder: „Und, wie lange wohnst du noch hier?“ Die Plakate von der „Deutschen Immobilien Partei“ (www.deutsche-Immobilien-Partei.de) hängen ab heute an der Türkenstraße. Gewählt werden kann die Partei nicht, es ist eine Kunstaktion der Arbeitskreise „Junges Forum“ und „Wer beherrscht die Stadt“ des Münchner Forums. Unter dem Motto „Leb wohl, Türkenstraße“ protestieren die Initiatoren gegen den Wandel der Gegend. Ihr Vorwurf: Es entstünden nur noch Luxuswohnung im Viertel. Alteingesessene Münchner Mieter würden vertrieben. Wir haben uns umgesehen.

Umzug nach 130 Jahren

Nächstes Jahr hätte das Antiquariat J. Kitzinger sein 130-jähriges Jubiläum an der Ecke Schelling-/Türkenstraße gefeiert. Doch Ende 2021 wird Inhaber Bernhard Kitzinger die Bücher zusammenpacken: „Wir ziehen in die Amalienstraße 65 um“, erzählt er. „Es war Zufall, dass wir den Laden gefunden haben.“ Für seinen Mietvertrag hat er einen Aufhebungsvertrag unterschrieben – mit Wehmut. „Die Mischung, die die Gegend früher ausgemacht hat, geht verloren“, sagt er.

Mehrfach hat der Gebäudekomplex den Eigentümer gewechselt. Was die Initiatoren der Kunstaktion ärgert, ist ein Vorfall im Jahr 2018: Vor der Begutachtung durch den Denkmalschutz sollen die damaligen Besitzer drei Treppenhäuser mit schmiedeeisernem Geländer abgerissen haben, kritisieren sie. Seit Ende 2020 gehört das Gebäude der Josef Rädlinger Unternehmensgruppe, die neu bauen möchte: „Geplant ist, die Immobilie auch nach dem Neubau komplett im Unternehmensbesitz zu behalten und die Wohnungen anschließend zu vermieten“, so ein Sprecher.

Er zog zuletzt aus

Stefan Sasse war der letzte: Nach 25 Jahren ist der 59-Jährige Ende Mai aus seiner Wohnung an der Türkenstraße 50 ausgezogen – als letzter Mieter dort. „Ich wäre gerne hiergeblieben“, sagt er. Doch er befürchtete eine Kündigung. „Und wer wohnt schon gerne alleine in einem großen leeren Komplex?“, fragt er. „Früher hatten wir eine gut funktionierende Hausgemeinschaft.“ Nach und nach verließen alle Mieter das Haus – nicht immer freiwillig. „Man spürte den subtilen Druck auszuziehen“, erzählt Sasse. Neue Mietverträge waren befristet. Jetzt sollen die Gebäude abgerissen werden.

Die Firma Legat Living plant einen Neubau mit 59 Wohnungen, einer Gewerbeeinheit und 73 Stellplätzen. „Unsere Bestandsgebäude waren stark sanierungsbedürftig, energetisch weit unter dem heutigen Standard und hatten lediglich eine Wohn- und Gewerbefläche von 3500 Quadratmetern“, erklärt ein Sprecher. „Das Viertel gewinnt durch diese Maßnahme.“ Doch: „Die Mieter werden vertrieben“, beklagt Sasse. In der gesamten Türkenstraße würden 178 Wohnungen verloren gehen: „Innerhalb von fünf Jahren sind in einem Bereich von 500 Metern 323 Leute weg.“

Schutz für die Mieter

Schon fast ein halbes Jahrhundert lebt Marianne Ott-Meinberg an der Türkenstraße. Für sie steht fest: „Wir halten durch. Das ist unsere Heimat.“ Ihre Wohnung ist im Vordergebäude an der Türkenstraße 54 – dem letzten verbleibenden Haus in dem Komplex. Die anderen Gebäude sind abgerissen. „Früher war es ein lebendiges Ensemble“, erinnert sich die 72-Jährige. Ihre Tochter Friederike Ott ist an der Türkenstraße aufgewachsen. „Es war wie bei Pumuckl“, erzählt die 38-Jährige. „Wir haben in den Hinterhöfen gespielt und alle Geschäfte gekannt.“ Ihre Mutter bestätigt: „Wir waren uns immer sicher, dass die Kinder dort gut aufgehoben waren“, sagt sie. „Es war ein typisches Handwerkerviertel.“

Jetzt befürchtet sie, dass künftig nur noch Platz für Wohlhabende ist. „Die Mietwohnungen müssen geschützt werden“, fordert sie. „Es kann nicht sein, dass alles in Eigentum umgewandelt und Wohnraum zerstört wird.“ An der Türkenstraße 52–54 errichtet die Real-Treuhand Immobilien Bayern GmbH einen Neubau mit Eigentumswohnungen. Die Fertigstellung ist 2023 geplant.

[Merkur, 20.08.2021]

24 Jul

Wunschtraum Eigenheim

Die Mehrzahl der Deutschen hat es da leichter: In 363 von 401 Landkreisen und kreisfreien Städten liegt die Belastung unter 30 Prozent, eine 70-Quadratmeter-Wohnung ist damit nach Faustformel finanzierbar. Doch im Ballungsraum München und in einzelnen Landkreisen an der Nord- und Ostseeküste würde die Finanzierung zum Wagnis, während die Mieten unterhalb der 30-Prozent-Schwelle bleiben. Das haben Experten des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) für den Postbank Wohnatlas 2021 ermittelt.

Belastung gestiegen

Die HWWI-Modellrechnung zeigt, dass die finanziellen Belastungen im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Im Durchschnitt über alle Landkreise und kreisfreien Städte mussten die Bürger im vergangenen Jahr 14,2 Prozent (Vorjahr 13,4 Prozent) des verfügbaren Haushaltseinkommens für Miete und 19,6 Prozent (Vorjahr 17,0 Prozent) für die Finanzierung einer Eigentumswohnung aufbringen.

In den Großstädten wird der Unterschied extrem: Zwar blieben die Nettokaltmieten für eine 70-Quadratmeter-Wohnung auch im vergangenen Jahr in allen Städten unterhalb der 30-Prozent-Grenze, doch Wohneigentum wird nahezu unerschwinglich: In die Finanzierung von 70 Quadratmetern Wohneigentum aus dem Bestand floss laut Modellrechnung in München 2020 im Schnitt sogar mehr als die Hälfte des durchschnittlichen örtlichen Haushaltseinkommens. Und das, obwohl die Münchener über die höchsten Haushaltseinkommen unter den größten deutschen Städten verfügen. Mit 47 Prozent folgt Berlin, die Metropole mit den niedrigsten Einkommen, vor Frankfurt am Main mit rund 44 Prozent und Hamburg mit knapp 43 Prozent.

Besonders groß fielen die Unterschiede zwischen Kauf- und Mietbelastung in den beiden Metropolen an Isar und Spree aus. Während Mieter in München und Berlin durchschnittlich rund 27 bzw. 23 Prozent ihres Einkommens für ihre 70-Quadratmeter-Wohnung zahlen, müssen Käufer einen etwa doppelt so hohen Anteil einkalkulieren.

Allerdings sagt Postbank-Expertin Grunwald: „Der Vorteil des Vermögensaufbaus, den Eigentümer betreiben, rechtfertigt in vielen Fällen durchaus einen Aufpreis.“ Immobilienbesitz sei immer auch eine Absicherung für das Alter und mache unabhängig von künftigen Mietpreissteigerungen.“ 

[Merkur, 24.07.2021]