25 Jul

Mieter haben Angst um ihr Zuhause

Hohe Quadratmeterpreise und Luxussanierungen, dazu Preissteigerungen in allen Bereichen des Lebens. Keine Frage, Münchner Mieter leiden ganz besonders unter den jüngsten Entwicklungen. Das wurde beim Mieterstammtisch, der erstmals wieder nach der Corona-Pause tagte, schnell klar.

Bukurije Tasini muss mit ihren drei Kindern raus aus der Wohnung in Aubing. Letzter Ausweg: Obdachlosen-Unterkunft. Rudolf Schairer (Maxvorstadt) hat Angst vor einer Wohnungslosigkeit wegen eines Abrisses. Zwei Beispiele für die große Not der Münchner Mieter.

Angst vor der Obdachlosigkeit

Bukurije Tasini (37) weiß nicht mehr weiter: Jeden Tag rückt das Datum näher, an dem sie ihre Wohnung verlieren wird. Ihr Vermieter hat ihr Anfang des Jahres wegen Eigenbedarfs gekündigt – Ende Oktober muss die alleinerziehende Mutter mit ihren drei Kindern (12, 14 und 19) endgültig ausziehen. Wo es danach hingeht, ist völlig ungewiss – die Familie findet einfach keine Wohnung.

Fast täglich fragt ihr jüngster Sohn seitdem: „Mama, wo müssen wir jetzt hin?“ Sie hat keine Antwort drauf, die Situation belastet die ganze Familie. Denn: Wenn sie nichts finden, droht die Wohnungslosigkeit. „Der Druck wird jeden Tag schlimmer“, sagt die Mutter. Seit 15 Jahren lebt die Familie in Aubing: vier Zimmer, 80 Quadratmeter, rund 1100 Euro Miete – für München ein vergleichsweise günstiges Angebot. Seitdem Tasini weiß, dass sie ausziehen muss, sucht sie täglich nach Alternativen, schreibt Anfragen: Doch auf dem freien Markt eine angemessen große Wohnung zu finden, ist schwer. Die alleinerziehende Mutter kann nur halbtags in einem Schuhgeschäft arbeiten, ihr Budget ist dementsprechend gering – schon jetzt erhält sie zusätzliche Leistungen vom Jobcenter.

Ihr Antrag auf eine Sozialwohnung wurde mit maximaler Punktzahl bewilligt. „Ich dachte, das wäre ein gutes Zeichen“, sagt sie. Sie habe sich dann auf dem offiziellen Portal der Stadt auf bisher über 40 Sozialwohnungen beworben – aber immer nur Absagen!

„Ich verliere langsam die Hoffnung“, sagt sie. Das Problem: In München warten momentan knapp 23 000 Haushalte auf eine Sozialwohnung – die Zahl hat sich in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppelt! Gleichzeitig können jährlich nur rund 3000 Wohnungen vergeben werden. Nur wegen einer hohen Dringlichkeit komme man nicht automatisch „zum Zug“, erklärt ein Sprecher des Sozialreferats. „Das Angebot kommt der Nachfrage nicht hinterher.“

Falls sie bis Oktober nichts finde, könne sie mit ihren Kindern in einer Unterkunft für Wohnungslose unterkommen, teilte ihr das Sozialreferat mit. Tasini empfand das als ziemlich „kalt“. „Das wäre das Schlimmste, was passieren kann. Ich will das meinen Kindern nicht antun.“ Sie hofft weiter.

Was kommt nach dem Abriss?

Rudolf Schairer aus der Schönfeldstraße 14 in der Maxvorstadt blickt in eine ungewisse Zukunft. Das Haus, in dem er lebt und das dem Immobilienunternehmen Dawonia gehört, soll abgerissen werden. 75 Einzimmerwohnungen befinden sich in dem Gebäude – hier leben jetzt auch 75 Mal Angst und Sorge.

Ursprünglich hatten die Mieter noch gehofft, dass in ihrem Gebäude lediglich Modernisierungsarbeiten vorgenommen werden. Doch im Frühjahr 2020 erhielten sie die Schocknachricht: Abriss im Jahr 2021. Wegen der Corona-Pandemie haben sich die Arbeiten jedoch verzögert. Ein kurzes Durchatmen. Denn vom Tisch ist das Projekt damit noch lange nicht. „Ich rechne damit, dass das Haus nächstes Jahr abgerissen wird“, mutmaßt Schairer, der schon seit 1990 hier wohnt. Er ist der Meinung, dass das Gebäude abgerissen werden soll, um teureren Wohnraum zu schaffen. Im neuen Haus seien nur etwa 60 Wohnungen geplant – im Gegensatz zu den 75 Wohnungen jetzt. Aber die Wohn- und Nutzfläche erhöhe sich von den jetzigen 3600 Quadratmetern auf ungefähr 6900. „Da sollen Luxuswohnungen entstehen“, schließt Schairer.

Die Dawonia widerspricht: Im neuen Gebäude seien familienfreundlichere, größere Wohnungen geplant. Rudolf Schairer kämpft trotzdem für den Erhalt des bisherigen Gebäudes. Er glaubt, dass die Preise steigen werden – in eine Höhe, die er und andere Altmieter des Hauses dann nicht mehr zahlen könnten. Deshalb sprach Schairer nun auch beim Mieterstammtisch vor.

[Merkur, 25.07.2022]

29 Jun

Jetzt klettern die Preise für normale Lagen

BODENRICHTWERTE 2022 – Ausschuss legt wegen Grundsteuerreform bereits jetzt neue Zahlen vor

Anstiege im gesamten Landkreis: Die Grafik zeigt pro Kommune (in alphabetischer Reihenfolge) die Entwicklung des Indexwertes, wobei Lila den jeweils aktuellen Wert zum Stichtag 1. Januar 2022 angibt. Der Ausgangswert 100 basiert auf den Werten des Jahres 2010. Die blaue Kurve beschreibt dagegen, wie sich die Wertsteigerung in Prozent von der vorherigen Bodenrichtwertermittlung 2020 bis zur aktuellen entwickelt hat. Am Beispiel von Miesbach mit dem Indexwert 323 bedeutet das, dass sich der Wert seit 2010 um 223 Prozent gesteigert hat. im Vergleich zum letzten Stichtag 31. Dezember 2020 erhöhten sich die Preise um 17 Prozent. Grafik: Landratsamt Miesbach

Landkreis – Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, fragile Lieferketten – die Welt ist unsicher geworden, doch auf eines ist trotzdem oder gerade deswegen Verlass: Die Immobilienpreise im Landkreis Miesbach steigen weiter. Das ist das Ergebnis der Bodenrichtwerterhebung, die der Gutachterausschuss am Landratsamt zum Stichtag 1. Januar 2022 ermittelt hat.

Waren es zuletzt vor allem die Premiumlagen an Tegernsee und Schliersee, die starke Preissteigerungen erzielten, sind es nun die sogenannten B-Lagen, die seit der vorherigen Erhebung zum Stichtag 31. Dezember 2020 teils kräftig anzogen. „Die bisherigen Toplagen sind weiter stabil“, berichtet Bernhard Mayer, der Vorsitzende des Gutachterausschusses. „Jetzt findet der Preisanstieg in den normalen Lagen statt, wo die Preise zuvor noch einigermaßen normal waren.“ Was aber nicht heißt, dass See- und Bergblick weniger gewünscht sind. „Die landschaftlich reizvollen Lagen an den Seen sind noch immer besonders nachgefragt.“

Dass nun auch normale Wohngegenden vom Preishoch erfasst werden, lässt sich nachvollziehen. Der Immobilienmarkt in der Landeshauptstadt ist leer. Wer also in München nichts findet, sucht im Umland – und ist bereit, auch hier Münchner Tarife zu zahlen. „Diese Leute sind andere Preise gewohnt und haben vor allem den Norden des Landkreises entdeckt“, erklärt Mayer. Wobei er betont: „Es gibt auch hier Vorzugslagen.“ Nicht alles sei gleich.

Dies belegen die tatsächlich getätigten Verkäufe im Landkreis, die der Gutachterausschuss allesamt ausgewertet hat. Für Bereiche, in denen keine Immobilienveräußerungen ausgewertet werden konnten, haben die zwölf Mitglieder des Ausschusses – ehrenamtlich tätige Sachverständige und Architekten – eine Entwicklung auf Basis des Trends zugrunde gelegt, die letztlich nicht dem Markt entsprechen muss. Mayer: „Das ist dann vielleicht ein Anstieg um 15 Prozent, obwohl der Markt 25 Prozent hergibt.“

Dass bereits jetzt stichtagsbezogen nach nur einem Jahr und einem Tag bereits neue Werte veröffentlicht werden – und nicht wie sonst üblich im Zwei-Jahres-Rhythmus –, liegt an der bundesweiten Reform der Grundsteuer. Wie Mayer erklärt, hat die Finanzbehörde „zum Zwecke der Besteuerung des Grundbesitzes einen Hauptfeststellungszeitpunkt im Bewertungsgesetz zum 1. Januar 2022 festgesetzt“. Dabei bestehe zwischen aktuellem Bodenrichtwert und Grundsteuer gar keine Zusammenhang. „In Bayern ist das Flächenmodell eingeführt“, erklärt Mayer weiter. „Relevant sind die Flächen des Grundstücks und der Bebauung sowie die Nutzung.“ Ein Thema, zu dem es oft Fragen aus der Bevölkerung gebe. Dem Gesetzgeber gehe es beim Zeitpunkt eher um den Länderfinanzausgleich. Dafür seien Sparkassen und Banken sehr daran interessiert, auf möglichst aktuelle Bodenrichtwerte zurückgreifen zu können, denn „diese fließen bei der Finanzierung von Immobilien mit ein“.

Stabil sind dagegen die Preise bei den Gewerbeflächen. Was sich laut Mayer ebenfalls erklären lässt: „Hier gibt es nur wenige Angebote. Zudem ist der Markt durch direkte Verkäufe durch die Kommunen und deren Bauleitplanung sehr stark gesteuert.“

Wie vorgeschrieben, hat der Gutachterausschuss die Zahlen aktualisiert und das Werk bereits veröffentlicht. Darüber hinaus werden die Bodenrichtwerte bei den Kommunen jeweils für einen Monat zur Einsichtnahme ausgelegt. Die Städte und Gemeinden machen dies ortsüblich bekannt und entscheiden selbst über den exakten Zeitraum.

Das Abrufen der Werte ist kostenpflichtig und erfolgt vorrangig über www.boris-bayern.de sowie über die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses. Mayer: „Jedermann kann Auskunft über die Bodenrichtwerte erlangen.“ Für die Zukunft findet die Erhebung wieder im Zwei-Jahres-Turnus statt. Nächster Stichtag ist der 1. Januar 2024.

Weitere Hinweise zu den Bodenrichtwerten sind auf der Homepage des Landkreises unter www.landkreis-miesbach.de/gutachterausschuss einsehbar.

[Merkur, 29.06.2022]

17 Jun

„Chance, günstigen Wohnraum zu schaffen“

NEUBAUPLÄNE – Vier Mehrparteienhäuser am Angerweg: Gemeinderat will erst in Klausur

Warngau – In Oberwarngau ist einiges in Bewegung – Stichwort Nachverdichtung. Nun gibt es Pläne für eine Bebauung im südlichen Bereich des Karrees zwischen Angerweg, Taubenbergstraße und Ranhartweg: Der Bauwerber hat eine Bauvoranfrage für vier Mehrfamilienhäuser eingereicht. Der Gemeinderat will erst in Klausur gehen, um abzustecken, wie sich Oberwarngau entwickeln soll.

Das Anwesen Angerweg 19 soll Platz machen für mehr Wohnraum: 30 Wohneinheiten, verteilt auf vier windmühlenartig angeordnete Mehrparteienhäuser, könnten stattdessen entstehen. Eine Bauvoranfrage soll abklopfen, ob die Behörden auf dem Areal, das planungsrechtlich im Innenbereich liegt, einem solchen Projekt grundsätzlich Grünes Licht geben würden. Wie die Planung aussehen soll, stellte für die Bauwerber der Schlierseer Architekt Johannes Wegmann am Dienstag im Gemeinderat vor.

Die Bauwerber planen explizit keine vier, fünf Einfamilienhäuser, die viel Platz für wenige Bewohner versiegeln, sondern ein Wohnquartier: „Zielgruppe sind Leute, die 50 bis 80 Quadratmeter in vertretbarer Preisklasse bewohnen “, betonte Wegmann – und auch, dass es sich um Mietwohnungen handeln soll und nicht um Eigentumswohnungen, die wieder Zweitwohnungsbesitzer oder auswärtige Investoren anziehen. Möglich wäre etwa, über einen städtebaulichen Vertrag eine Erstwohnsitzbindung zu vereinbaren, erklärte Wegmann.

Untergebracht werden sollen die Mietwohnungen – 30 Prozent davon mit Sozialpreisbindung – in vier Neubauten, die zwischen dem Angerweg im Westen, dem Anwesen Taubenbergstraße 3 im Süden sowie dem Anwesen Taubenbergstraße 3b im Osten windmühlenartig angeordnet werden. Das Zentrum der Gartenanlage bildet ein Gemeinschaftsplatz – welcher Art, ist noch offen. Optisch solle „das Rad nicht neu erfunden“ werden. Geplant sind klassische Satteldachbauten „aus der landwirtschaftlichen Tradition heraus“ mit Balkonen und teilweiser Holzverschalung, mit zwei vollen Stockwerken und teilweise mit ausgebautem Dachgeschoss. Der alte Baumbestand an der Einmündung des Angerwegs bleibt unangetastet.

Die Parkplätze sollen zum Großteil in einer Tiefgarage verschwinden, die 41 Stellplätze bietet und über den Angerweg an der Nordwestecke des Areals angefahren werden soll. Östlich der Taubenbergstraße 3 ist ein Durchstich vorgesehen. Oberirdisch sollen weitere 20 Parkplätze entstehen.

Bürgermeister Klaus Thurnhuber (FWG) sah in der Planung eine „Chance, günstige Mietwohnungen in der Gemeinde zu schaffen“. Angesichts der Tragweite schlug er dem Gemeinderat aber vor, die Entscheidung zur Bauvoranfrage zu vertagen und sich damit in einer demnächst ohnehin geplanten Klausur zum Thema Innenentwicklung zu befassen – ein Vorschlag, den der Gemeinderat einstimmig annahm. Zumal in der Ecke noch mehr in Bewegung ist: Bekanntlich weist die Gemeinde in der Nachbarschaft mit dem Bebauungsplan „Angerweg Nord“ ebenfalls Wohngrund aus.

Für eine eingehende Beratung plädierte auch Max Bauer (FWG): „Wir würden hier einen Haufen Wohnraum schaffen – das löst was aus“, warnte er vor Folgen etwa für die Kinderbetreuung und fragte: „Wollen wir das, brauchen wir das?“ Kritisch sah das Projekt auch Engelfried Beilhack (CSU). „Von der Verdichtung her gefällt mir das überhaupt nicht. Das kommt gleich nach Tegernsee.“ Gemeint war das dicht und hoch bebaute „Quartier Tegernsee“ auf dem einstigen Krankenhausareal (wir berichteten). Der Vergleich mache ihn traurig, sagte Wegmann und verwahrte sich dagegen: „Hier reden wir von zweieinhalb Geschoßen, Tegernsee hat fünf bis sechs.“

Hans Gillhuber appellierte, zu berücksichtigen, ob der Angerweg als Erschließungsstraße das hergebe, und Florian Rank (FWG) wies darauf hin, dass die Gestaltungssatzung der Gemeinde auch einen Besucherstellplatz pro vier Wohneinheiten fordere. Rank erinnerte auch: „Wir haben im Wahlkampf alle gesagt, dass wir für unsere Leute was schaffen müssen.“

Michael Spannring (Grüne) fand das Projekt daher auch grundsätzlich „interessant“ für die Gemeinde: „Wir haben in Warngau einen Mangel an solchen Wohnungen.“ Er schilderte seine eigene Situation: „Wir haben vor acht Jahren relativ groß gebaut, jetzt sind die Kinder langsam dahin, und wir wohnen zu zweit im großen Haus, was irgendwie Irrsinn ist“, sagte er. „Häuser sollen ja für Familien mit Kindern zur Verfügung stehen und nicht für alte Leute, die sich drin verlieren.“

[Merkur, 17.06.2022]

06 Mai

Baustopp wegen Preisexplosion

Hohe Kosten bremsen Wohnungsbau

München – Der rasante Anstieg der Baukosten bremst den Wohnungsbau in Bayern: Die Mehrheit der genossenschaftlichen und kommunalen Wohnungsunternehmen will neue Bauprojekte auf Eis legen. Auch Sanierungen bestehender Wohnungen werden sich verzögern. Das ergab eine Umfrage des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW) unter seinen knapp 500 Mitgliedsunternehmen. Falls der Preisanstieg nicht gestoppt wird, wollen demnach 60 Prozent der Mitglieder des Verbands Neubau- und Modernisierungsprojekte zurückstellen. Betroffen wären rund 3500 Wohnungen ab 2023.
„Die Wohnungswirtschaft kämpft schon lange mit den steigenden Baukosten“, sagte Verbandsdirektor Hans Maier. „Doch die jüngsten Kostensteigerungen sind für unsere Mitgliedsunternehmen kaum noch zu tragen.“ Aktuelle Bauvorhaben werden laut VdW im Vergleich zur ursprünglichen Kostenkalkulation um über 20 Prozent teurer.

Dem VdW gehören 493 bayerische Wohnungsunternehmen an. Die aktuelle Entwicklung kommt laut Verband zu einer Unzeit – die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt sei weiterhin groß, die Branche stünde vor einer großen Herausforderung.


Die Entwicklung kommt laut dem Verband bayerischer Wohnungsunternehmen zu einer Unzeit: 60 Prozent der Mitglieder des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen (VdW Bayern) würden Projekte zurückstellen, falls der Preisanstieg am Bau nicht gestoppt wird. Das ergab eine Umfrage des VdW Bayern. Insgesamt sei wegen des immensen Kostenanstiegs die Kalkulation von 6600 Wohnungen die neu gebaut werden sollen, sowie die Modernisierung von 5200 Wohnungen, infrage gestellt, teilte der VdW Bayern am Mittwoch mit.

„Es handelt sich dabei um Projekte, die in der Planungsphase sind und bei denen erste Kostenvoranschläge ausgearbeitet wurden“, erklärt Tobias Straubinger, Sprecher des VdW Bayern. Werfe man einen Blick auf die wenige Monate alten Ausarbeitungen, seien diese meist schon nicht mehr aktuell, da in der Zwischenzeit die Preise weiter in die Höhe gegangen sind, erklärt Straubinger. Als Beispiel nannte er einen geplanten Dachgeschossausbau in Bad Tölz: Die Preise aus dem Kostenvoranschlag vom Januar waren bereits im April um 40 Prozent gestiegen.

Einfach umlegen könne man die hohe Kostensteigerung nicht. Unter den rund 500 Mitgliedern des VdW Bayern sind nach Angaben des Verbands kirchliche und kommunale Wohnungsunternehmen. Der Fokus liegt auf bezahlbarem Wohnen. „Von der Mietpreisgestaltung her haben wir keinen Spielraum nach oben“, sagt VdW-Sprecher Straubinger.

Nicht nur der gestiegene Preis für Kraftstoff, der für Baumaschinen benötigt wird, schlägt sich in den Kostenkalkulationen nieder. Der Preis für Betonstahl in Stäben lag beispielsweise im März um 19,3 Prozent höher als noch im Februar – im Vergleich zum Vorjahr sogar 60,4 Prozent über dem Niveau. Das gab der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie unlängst bekannt. Zuvor meldete das Bayerische Landesamt für Statistik, dass im Zeitraum von Februar 2021 bis Februar 2022 die Baupreise für den Neubau von Wohngebäuden um 13,5 Prozent gestiegen seien. Besonders starke Preissteigerungen würden sich laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik bei Dämm- und Brandschutzarbeiten an technischen Anlagen abzeichnen, mit einem Plus von 20 Prozent.

„Über viele Jahre haben wir viel geleistet und gebaut“, sagt VdW-Sprecher Florian Straubinger, „jetzt sind unsere Mitglieder an einem Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht.“

Nach der Auswertung der Umfrage des VdW Bayern würden die Wohnungsunternehmen dann ihre Projekte auf Eis legen, würde der Preisanstieg nicht gestoppt werden. „Wer wann reagiert kann jedoch nicht gesagt werden, das hängt von den einzelnen Unternehmen ab“, erklärt Straubinger auf Nachfrage. Auch welche Bauvorhaben genau betroffen sind, könne nach Abschluss der Umfrage nicht beantwortet werden.

Insgesamt komme die Entwicklung laut Straubinger in mehrfacher Hinsicht denkbar ungelegen. Zum einen kommen durch den Krieg in der Ukraine viele Geflüchtete nach Deutschland, die Unterkünfte suchen. Gleichzeitig schauen sich anerkannte Flüchtlinge, die bereits länger hier leben, nach eigenen Wohnungen um. Zum anderen sei die Situation auf dem Wohnungsmarkt ohnehin angespannt, so Straubinger.

Die hohe Inflation beschleunige die Nachfrage nach Immobilien derzeit zusätzlich, gab Stephan Kippes, Leiter des Marktforschungsinstituts des Immobilienverband Deutschland (IVD) am Dienstag bekannt. So stiegen die Immobilienumsätze in Bayern im ersten Quartal um 11,9 Prozent auf insgesamt 19,4 Milliarden Euro.

[Merkur, 05.05.2022]

12 Apr

Generationen unter ein Dach bringen

Ein Wohnprojekt, in dem mehrere Generationen unter einem Dach leben. Am besten zentral im Ort gelegen, damit fußläufig alles erreichbar ist. Das kann sich die SPD-Kreisrätin Christine Negele auch für Tegernsee vorstellen. Im Stadtrat stellte sie ihre Idee jetzt vor und stieß grundsätzlich auf offene Ohren.

Tegernsee – In einer lebendigen Generationen-Gemeinschaft bezahlbar wohnen: Davon träumt Christine Negele (63) nicht nur. Schon vor Corona hatte die SPD-Kreisrätin aus Tegernsee ihre Initiative für „ein bezahlbares nachbarschaftliches Wohnen einheimischer Bürger*innen am Tegernsee“ gestartet. Es gab erste Treffen, dann bremste Corona das Projekt zwei Jahre lang aus. Jetzt stellte Negele ihre Idee eines Wohnprojekts, realisierbar über eine Genossenschaft oder als kommunaler Bau, im Tegernseer Stadtrat vor.

Dort kam der Gedanke eines Mehrgenerationenhauses mit echter Gemeinschaft gut an. „Das sollten wir auf dem Schirm haben“, meinte Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) nach Negeles Vortrag. Schließlich gebe es einige Objekte, die die Stadt in der Zukunft entwickeln wolle. Gedacht ist zum Beispiel ans Bahnhofsareal, möglicherweise auch ans Horn-Grundstück.

Wie ein solches Wohnprojekt aussehen kann, hat sich Negele vielerorts angeschaut. Auf ihrer Liste möglicher Kooperationspartner steht die Genossenschaft MARO mit Sitz in Ohlstadt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen weit oben. Negele ist auch nicht allein. Zu den ersten Treffen ihrer Initiative 2019 kamen rund 50 Interessierte. Manche haben sich inzwischen verabschiedet, weil zu lange nichts realisiert werden konnte. Anderen gefiel nicht, dass kein Eigentum geschaffen wird, sondern Mietwohnungen. Auch die Vorgabe, dass ein echtes Miteinander gelebt werden soll, behagt nicht jedem. Trotzdem dürfte es keinen Mangel an Menschen geben, die gern in ein Generationenhaus ziehen wollen. Negele selbst gehört dazu. „Ich mache das auch für mich“, ließ sie wissen. Ihre Initiative präsentiere sie nicht als SPD-Politikerin, sondern als Tegernseer Bürgerin.

Negele hat sich schon so lange mit dem Thema befasst, dass sie auch die Schwachstellen kennt. „Wichtig ist, dass es von Anfang an einen echten Generationen-Mix gibt“, erklärte sie. Nur so kann das Prinzip Babysitten gegen Hilfe beim Einkauf dauerhaft funktionieren. Ziehen nur Mieter im Rentenalter ein, überaltert die Wohngemeinschaft mit den Jahren, Junge kommen nicht mehr dazu. „Daran sind schon einige Projekte eingegangen“, weiß Negele.

Um zu funktionieren, sollten zum Generationen-Projekt mindestens acht bis zwölf Wohnungen gehören, am besten mit fußläufiger Verbindung zur Ortsmitte. Sie bieten gerade so viel Platz, wie die Bewohner brauchen. Für größere Tischrunden gibt’s einen Gemeinschaftsraum, für Besuch ein Gästezimmer, das nach Absprache alle Bewohner nutzen können.

Für Stadtrat Thomas Mandl (SPD) ist das Modell „wahnsinnig interessant“. Für die Stadt sei es doch „fast erotisch“, wenn sie Häuser nicht nur kaufe, sondern daraus auch ein solches Zuhause gestalte, meinte Mandl. Auch Ursula Janssen (Grüne) signalisierte Unterstützung: „Wir sollten bei der Überplanung des Bahnhofsareals in diese Richtung denken.“

[Merkur, 12.04.2022]

06 Apr

Wohnen mit Mini-Mieten

Augsburg – Johanna Grünwald sitzt in ihrem Sessel mit dem weichen roten Kissen. In der Hand hält sie ein Buch. Die 67-Jährige liebt das Lesen. Hat sie schon immer. Wenn sie im Wohnzimmer ihrer kleinen Fuggerei-Wohnung schmökern kann, ist sie glücklich. Obwohl sie eine spezielle Lupe in die Hand nehmen muss, um die Zeilen zu entziffern. Vor zwölf Jahren erkrankte sie schwer an Gürtelrose. Das Virus griff ihre Augen an. Seitdem hat sie nur noch eine Sehkraft von zehn Prozent. Ihren Beruf als Krankenschwester hat sie verloren, ihre Wohnung konnte sie nicht mehr bezahlen. Johanna Grünwald ist sehr religiös, sie sagt: „Ich bin fest davon überzeugt: Gott hat mich dann in die Fuggerei gelenkt. Hier konnte ich wieder in Würde leben.“

In der Gemeinschaft der Augsburger Sozialsiedlung hat sie Halt gefunden. Im Dezember 2013 zog sie in ihre barrierefreie Erdgeschoss-Wohnung in dem ockergelben Häuschen – drei Jahre, nachdem sie sich um einen der begehrten Plätze in der Siedlung beworben hatte. Drei Bedingungen muss man erfüllen, um eine Chance auf eine Fuggerei-Wohnung zu bekommen: Man muss katholisch, bedürftig und Augsburger sein. Auf den rund 60 Quadratmetern hinter der grünen Holztür hat sich Johanna Grünwald mehr als nur ein Zuhause geschaffen. Sie kann dort wieder selbstbestimmt leben. Die leeren Räume hat sie mit viel Liebe fürs Detail möbliert. Psalm-Tafeln an der Wand und ein Holzkreuz über der Tür zeigen ihren tiefen Glauben. Ihren Glastisch im Wohnzimmer ziert ein Häkeldeckchen. Auf ihm steht immer eine Schale mit Knabbereien. Falls Besuch kommt.

Den erhält Grünwald manchmal unfreiwillig. Die Fuggerei ist eine beliebte Sehenswürdigkeit in Augsburg. Vielen Besuchern ist nicht klar, dass dort immer noch Menschen wohnen. Sie spazieren in die Häuser wie in Museen. Als Grünwald einmal putzte und die Tür offen ließ, standen plötzlich Touristen in ihrem Flur. Als sie den Leuten erklärte, dass es ihre Privatwohnung ist, war ihnen das unangenehm. Mit ihren Nachbarn lacht Grünwald über solche Vorfälle. Die sind ihr eine große Stütze. „Wenn mich die Frau von nebenan ein paar Tage lang nicht sieht, lässt sie jemanden nachschauen, was los ist. Der Zusammenhalt ist einzigartig.“

Dabei fühlten sich die ersten Nächte in der Fuggerei beklemmend an. Jeden Abend um 22 Uhr schließt das Haupttor. Bewohner müssen zwischen 22 Uhr und Mitternacht 50 Cent an einen Nachtwächter zahlen, um das Tor passieren zu können. Bis 4.30 Uhr wird ein Euro fällig. Grünwald muss sich gut überlegen, ob sie abends länger ausgeht. Die Seniorin hat sich anfangs eingesperrt gefühlt. „Aber eigentlich werden wir nur geschützt.“

Zum Dank für diesen Schutz betet Grünwald täglich für die Fuggerei-Angestellten. Ein Vaterunser, ein Ave Maria und ein Glaubensbekenntnis am Tag sind Teil der Miete, seit Jakob Fugger die Sozialsiedlung 1521 gründete. Für einen rheinischen Gulden ließ der Kaufmann damals Tagelöhner und Handwerker in seiner Siedlung wohnen. Im Gegenzug sollten seine Mieter den göttlichen Beistand für ihn und seine Familie erbitten. Dieses Gebot gilt bis heute. Nach wie vor ziert jede Wohnung ein Bild von Jakob Fugger. Ob die Bewohner täglich beten, wird freilich nicht mehr kontrolliert. Für Grünwald ist es selbstverständlich.
Besonders dankbar ist sie den Sozialpädagoginnen Doris Herzog und Michaela Huber. Die helfen jederzeit, wenn die Bedürftigen einen Pflegegrad oder finanzielle Leistungen beantragen müssen. An diesem Vormittag klingelt Huber nur zum Plauschen. „Wir sind da, wenn die Bewohner jemanden zum Reden brauchen“, erklärt sie. Stets zur Stelle ist auch Siedlungs-Schreiner Arndt Baumann. Als er vorbeiradelt, bittet Grünwald ihn, ihren Briefkasten zu reparieren. In der Werkstatt besprechen sie den Auftrag und ratschen.

Reden können die Fuggerei-Bewohner auch beim wöchentlichen gemeinsamen Frühstück. Oder sie gehen zu Ilona Barber. Sie verkauft an der Kasse die Karten für die Touristen. Aufgewachsen ist Barber in einem Zirkus. Später war ihre Liebe die Musik. Sie tourte in den 1970er-Jahren mit Bands, sah viel von der Welt. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland erhielt die heute 72-Jährige wenig Rente. 2014 erhielt sie einen Platz in der Fuggerei.

Dort zahlen die Mieter eine symbolische Kaltmiete von 88 Cent im Jahr. Aber die durch den Krieg explodierenden Energiepreise schlagen auf die Nebenkosten für Heizen und Strom. „Das ist ein großes Problem, auch wenn wir mit Holz-Pellets heizen und ans Fernwärmenetz der Stadt angeschlossen sind“, erklärt Astrid Gabler, Sprecherin der Fuggerschen Stiftungen. Die Siedlungs-Verwalter rechnen die Nebenkosten monatlich ab, damit am Jahresende nicht die große Gesamtsumme fällig wird.
Die Stifter wollen die Fuggerei bewahren und für die Zukunft rüsten. „Das Ziel ist, die Idee der Fuggerei in die Welt zu tragen und so neue Stifter zu begeistern“, sagt Alexander Graf Fugger-Babenhausen. Er ist der Vorsitzende des Fuggerschen Familien-Seniorats, der die Stiftung leitet. Zum 500-jährigen Bestehen haben mehrere Stifter „Fuggereien der Zukunft“ angekündigt. In Litauen entsteht eine Einrichtung gegen Altersarmut und Pflegenotstand. In Sierra Leone sollen junge Frauen in einem Fischerdorf Bildungsangebote und Gesundheitsversorgung erhalten. „Auch München könnte eine Sozialsiedlung gebrauchen“, regt Gabler an. Die Mieten in der Landeshauptstadt werden immer teurer. „Wir merken das, weil so viele Münchner nach Augsburg ziehen und pendeln.“ Wo neue Fuggereien entstehen sollen, wollen die Fuggerschen Stiftungen mit den Augsburgern ab dem 6. Mai auf dem Rathausplatz diskutieren. Die Veranstaltungen dort werden der Höhepunkt des Jubiläums. Im August 2021, als die Fuggerei eigentlich 500. Geburtstag hatte, fielen große Feiern Corona-bedingt aus.
Johanna Grünwald wird mit Spannung die künftigen Fuggerei-Projekte verfolgen. „Ich bete, dass die Stifter ihre Arbeit noch lange weiterführen.“ Sie genießt ihre Ruhe in einem Gärtchen hinter ihrer Wohnung. „Da scheint die Sonne bis zum Abend.“ Oder sie setzt sich wieder mit einem Buch in ihren Lieblingssessel.

[Merkur, 30.04.2022]

06 Apr

SPD: Weniger Einfamilienhäuser

Berlin – Der Neubau von Einfamilienhäusern muss aus Sicht von Bundesbauministerin Klara Geywitz eingedämmt werden, um den Flächenverbrauch zu senken und die Umwelt zu schützen. Es sei „ökonomisch und ökologisch unsinnig“, wenn jede Generation neue Einfamilienhäuser baue, sagte die SPD-Politikerin der „taz“. Anfangs werde noch zu fünft auf 150 Quadratmetern gewohnt, „aber dann ziehen die Kinder aus – und das Haus schrumpft in dem Moment nicht“. Seit den 1950er-Jahren seien hunderttausende Einfamilienhäuser gebaut worden. „In denen leben meist keine Familien mehr, sondern ein oder zwei Senioren.“
Die Lösung sei ein anderer Nutzungszyklus, sagte sie. „Gut wäre, wenn die nächste Generation von jungen Familien alte Häuser erwirbt und saniert. Dafür müssen wir staatliche Anreize setzen. Dann kann man beides vereinbaren: Fläche sparen und den Wunsch vom eigenen Haus ermöglichen.“ In den letzten Jahrzehnten sei die Wohnfläche pro Person weiter gestiegen. Künftig müsse anders gebaut werden, sagte Geywitz – mit kleineren Wohnflächen, aber größeren Gemeinschaftsflächen.

[Merkur, 16.04.2022]

23 Feb

Lieber eine Wohnung als ein Haus

Valley – Wer in Valley eine Wohnung zur Miete anbieten kann, dürfte schnell einen Interessenten finden. Und zwar einen Interessenten, der bereits in Valley zuhause ist. Das legen die Ergebnisse der Wohnraumumfrage nahe, die in der Gemeinde im Spätherbst des vergangenen Jahres durchgeführt wurde (wir berichteten). Sie waren Thema in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats.

Die SPD-Gemeinderäte Angela Falkenhahn und Johannes Schneider hatten die Umfrage angestoßen und dafür ihre Gemeinderatskollegen Markus Nöscher (CSU) und Nicole Weinfurtner (Grüne) mit ins Boot geholt. Von Bürgermeister Bernhard Schäfer (FWG) gab’s in der Sitzung ein großes Lob für das Engagement. „Das habt Ihr super gemacht“, sagte er. „Recht herzlichen Dank.“

Schneider und Nöscher präsentierten die Ergebnisse via PowerPoint. Etwa 90 Haushalte aus der Gemeinde hatten teilgenommen, das entspreche sechs bis acht Prozent, erklärt Schneider auf Nachfrage. „Die Ergebnisse sind also nicht repräsentativ, aber es ist ein guter Start.“ Nicht nur ein guter Start, sondern auch einer mit interessanten Ergebnissen, fand Nöscher. „Zum Beispiel, dass 65 Prozent der Teilnehmer in Miete wohnen.“

Tatsächlich ist der Mietmarkt in Valley leer, das zeigen auch die fehlenden Angebote auf einschlägigen Immobilienseiten im Internet. Von den Teilnehmern der Valleyer Umfrage suchen rund 73 Prozent jetzt oder in den kommenden ein bis drei Jahren eine Immobilie – vorrangig zum Kauf (60 Prozent), aber auch 25 Prozent zur Miete.

Auf dem ersten Platz der Liste, was sie dabei bevorzugen würden, nannten die Teilnehmer nicht Einfamilien- oder Doppelhäuser, sondern Wohnungen. Schneider und Nöscher wiesen bei ihrer Präsentation auch auf einige weitere interessante Erkenntnisse aus der Befragung hin, etwa, dass sich knapp 60 Prozent ein Mehrgenerationen-Wohnen vorstellen könnten und nach eigenen Angaben dort auch einziehen würden.

Wenig überraschend war der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum, zum Beispiel im Einheimischenprogramm – und dabei sollte auch der Wunsch nach Wohnungen berücksichtigt werden, waren sich Schneider und Nöscher einig.

Bürgermeister Schäfer versprach, das Einheimischenprogramm weiter voranzutreiben. „Wir werden dranbleiben und immer wieder Möglichkeiten schaffen, damit junge Valleyer in der Gemeinde bleiben können“, sagte er. Barbara Walter (CSU) wünschte sich ausdrücklich, dass die Auswertung „nicht in der Schublade verschwinden“ dürfe. Bei manchen Punkten, etwa zum Seniorenwohnen, sollte außerdem genauer nachgefragt werden. 

[Merkur, 23.02.2022]

17 Feb

Wohnungsbau: Planer sehen genug Potenzial

München – Im Großraum München ist in den kommenden 20 Jahren noch Platz für 360 000 zusätzliche Einwohner. Zu diesem Ergebnis kommt der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München (PV) in einer neuen Untersuchung. „Es ist genug Platz für die zusätzlichen Einwohner da, besonders im Umland“, sagt PV-Geschäftsführer Christian Breu. Grundlage für diese Bewertung ist die Bevölkerungsprognose des Landesamts für Statistik, wonach die Einwohnerzahl in der Region München bis zum Jahr 2040 um rund 225 000 Personen steigen könnte.

Bei der letzten Untersuchung vor fünf Jahren war der Planungsverband noch pessimistischer. Doch seitdem wurden die Bevölkerungsprognosen etwas nach unten korrigiert. Gingen die Statistiker von 2015 bis 2035 noch von einer Einwohnersteigerung um 15 Prozent aus, sind es von 2020 bis 2040 nur noch knapp acht Prozent. Und die Wohnbauflächenreserven der Kommunen sind laut Planungsverband sogar größer geworden.

Grundlage für die Berechnungen des Verbands sind die unbebauten Wohnbauflächen in den Flächennutzungsplänen der Kommunen. Der Planungsverband umfasst neben Stadt und Landkreis München auch die umliegenden Kreise Dachau, Freising, Erding, Ebersberg, Starnberg, Fürstenfeldbruck und Landsberg. Die Planer rechnen damit, dass etwa die Hälfte aller noch nicht bebauten, aber ausgewiesenen Flächen aus den Flächennutzungsplänen realistisch für den Wohnungsbau infrage kommen. Dazu kommen die Innenverdichtung, die sogenannten Konversionsflächen etwa auf ehemaligen Militäranlagen und das errechnete Wohnbaupotenzial für die Stadt München. Ergibt laut PV rund 108 000 Wohneinheiten in den Landkreisgemeinden und 72 500 Wohneinheiten in der Landeshauptstadt. Bei einer Wohnungsbelegung von im Schnitt zwei Personen kommt der Planungsverband so auf den Platz für rund 360 000 zusätzliche Einwohner. „Und das ist konservativ geschätzt“, betont Breu.

Das Potenzial für genügend Wohnraum wäre demnach also vorhanden. „Unser Problem ist: Nicht alle Potenziale können auch gehoben werden“, sagt aber beispielsweise Dachaus Landrat Stefan Löwl (CSU). „Nicht alle Flächen aus den Flächennutzungsplänen sind auch verfügbar.“ Etwa wenn der Eigentümer gar nicht bauen oder verkaufen will. Oder wenn statt mehreren Mehrfamilienhäusern lieber eine große Villa auf den Flächen entstehen soll. „Für die Kommunen ist das nicht immer steuerbar“, sagt Löwl.

Er beobachtet, dass gerade auf dem Land kleinere, bezahlbare Wohnungen fehlen. „Die bräuchten wir aber, um Menschen aus der unteren Mittelschicht in unsere Region zu locken. Wir brauchen die Krankenschwester und die Erzieherin, um unsere Infrastruktur aufrecht zu erhalten.“ Wenn stattdessen nur noch Gutverdiener bauen und sich die Kommunen den sozialen Wohnungsbau nicht mehr leisten können – „dann mache ich mir Sorgen, dass für die Menschen, die wir zum Leben brauchen, kein Platz mehr ist“.

Um das zu verhindern, brauche es mehr planerische Möglichkeiten. „Natürlich ist es nicht unbedingt schön, wenn auf einem Villengrundstück plötzlich drei neue Sechs-Parteien-Häuser entstehen. Aber es ist auch mit Blick auf den Flächenverbrauch immer noch besser, wenn diese Gebäude eben nicht im Außenbereich gebaut werden müssen.“

Auch beim Planungsverband will man die jüngsten Untersuchungsergebnisse nicht als Entwarnung verstanden wissen. „Die Kommunen können sich nicht zurücklehnen“, sagt Christian Breu. „Sie müssen auch weiterhin Wohnbauflächen ausweisen, um so eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu unterstützten.“

[Merkur, 17.02.2022]

16 Feb

Familien fliehen aus den Großstädten

Berlin – Zwei Zimmer, Küche, Bad, mit Nachwuchs und dem Homeoffice auf dem Küchentisch – das Zuwenig an Quadratmetern in den Großstädten wird vielen jungen Familien nach Expertenangaben zu viel. Sie kündigen ihre engen Wohnungen und ziehen in die Vororte oder aufs Land. „Die Familien verlassen mit wehenden Fahnen diese Städte“, sagte Mitautor Harald Simons am Dienstag bei der Vorstellung eines Marktgutachtens des Zentralen Immobilien-Ausschusses (ZIA). In den größten Städten würden heute vor allem „kleine Schuhschachteln“ gebaut, kaum noch bezahlbare große Familienwohnungen.

Die Mieten steigen nach dem Gutachten weiter. Im Schnitt verlangten Vermieter bei Neuverträgen 3,7 Prozent mehr als im Vorjahr. In Landkreisen sei der Anstieg inzwischen stärker als in den Großstädten. „Der Trend zur „neuen Landlust“ hat sich bestätigt“, heißt es im Gutachten.

Deutlich stärker als die Mieten legten bundesweit die Preise zu. Eigentumswohnungen wurden 14,3 Prozent teurer angeboten als ein Jahr zuvor. „Die nochmaligen Anstiege und das enorme Niveau der Kaufpreise sind sowohl überraschend als auch durchaus beängstigend“, so die Gutachter.

Zuletzt hatte es Warnungen vor spekulativen Übertreibungen in bestimmten Städten gegeben. Ob es eine Immobilienblase gebe und wann sie platze, dazu wollte sich Mitautor Lars Feld nicht festlegen. Der Ökonom sagte: „Wenn die Zinsen nach oben gehen, wird es eine Korrektur geben.“

Damit die Mieten und Kaufpreise nicht mehr so stark steigen, sollen nach dem Willen der Bundesregierung bundesweit 400 000 neue Wohnungen pro Jahr entstehen. „Wir wollen sie erreichen, wir müssen sie erreichen“, bekräftigte Baustaatssekretär Sören Bartol (SPD) das Ziel. Er wolle das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen mit Bund, Ländern, Kommunen, Wohnungs- und Bauwirtschaft, Mieterbund, Gewerkschaften stärker mit Leben erfüllen.

Nach dem Gutachten dürften 2021 etwa 315 000 Wohnungen fertiggestellt worden sein, rund 9000 mehr als im Vorjahr. Wegen der langen Bauzeiten könnten 400 000 erst in der nächsten Wahlperiode nach 2025 erreicht werden, sagte Simons. ZIA-Präsident Andreas Mattner sieht das Ziel in weite Ferne gerückt. Er führte das auf den Stopp eines Förderprogramms für Gebäudesanierung im Januar zurück.

[Merkur, 16.02.2022]