06 Dez

Wohnraum für Einheimische

Kleines Programm in Großhartpenning nimmt Gestalt an – Schutz für Bäume

Holzkirchen – Bereits im vergangenen September billigte der Holzkirchner Bauausschuss die Änderung des Bebauungsplans 105, der Grundstücke zwischen der Tölzer Straße und der Piesenkamer Straße in Großhartpenning umfasst. Mit der zugleich durchgeführten Änderung des entsprechenden Flächennutzungsplans soll ein „kleines Einheimischenprogramm“ ermöglicht werden, wie Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) nun im Bauausschuss sagte.

Inzwischen wurden Behörden und die Öffentlichkeit an der Bebauungsplanänderung beteiligt. Das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim habe dabei angemerkt, die künftigen Gebäude hochwasserfest zu bauen, teilte Isabella Britze vom Holzkirchner Bauamt mit. Die Vorgabe laute, dass bis in einer Höhe von 25 Zentimetern über Grund wasserdicht gebaut werden müsse. Man habe zudem in den Bebauungsplan Vorgaben aufgenommen, dass Bäume, die in einer Höhe von einem Meter einen Durchmesser von 80 Zentimeter aufweisen, nicht umgeschnitten werden dürfen, erläuterte Britze. Dies könnte dann zum Tragen kommen, wenn beim Hausbau die Wege zu den neuen Gebäuden erschlossen werden.

Britze erwähnte zudem, dass die Grundstückseigentümer Ausgleichsflächen gefunden hätten. Auf Holzkirchner Gemeindegebiet gebe es zwei Flächen, die der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt würden. Damit soll die Flächennutzung ausgeglichen werden, die durch die Neubauten entsteht.

Robert Wiechmann (Grüne) merkte in der Diskussion an, dass es keinen Sinn mache, in einem Bebauungsplan auf einzelne Bäume einzugehen. „Was macht man denn sonst, wenn der Blitz einschlägt: Muss man dann den Bebauungsplan ändern?“, gab er zu bedenken. Sein Vorschlag: Man solle allgemeiner formulieren. Bürgermeister Schmid nahm die Anregung auf. Es gehe um den Schutz der Bestandsbäume, aber wenn es gute Gründe gibt, solle man auch eingreifen dürfen, so fasste er die Idee hinter den Baumschutzmaßgaben zusammen.

Einstimmig billigten die Gemeinderäte die neue Fassung des Bebauungsplans wie auch des Flächennutzungsplans. Hubert Müller (FWG) nahm aufgrund persönlicher Befangenheit nicht an der Abstimmung teil. Damit ist nun der Weg frei für eine weitere Runde der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung.

[Merkur, 06.12.2021]

20 Nov

16 neue Wohnungen

Schlüsselübergabe für Mehrfamilienhäuser an Bad Wiesseer Dr.-Scheid-Straße

Bad Wiessee – Trotz Corona-Pandemie während der gesamten Bauzeit konnte der Zeitplan nahezu eingehalten werden: Mitte November waren die beiden neu errichteten Gemeindehäuser an der Dr.-Scheid-Straße 7 und 7a bezugsfertig. Es ist das dritte Projekt des über einigen Jahren gegründeten Kommunalunternehmens der Gemeinde Bad Wiessee. Vorangegangen waren der Bau des Mehrgenerationenhauses, ebenfalls an der Dr.-Scheid-Straße, und die Sanierung zweier Mehrfamilienhäuser an der Söllbachtalstraße.

Bei der symbolischen Schlüsselübergabe überreichte Bürgermeister Robert Kühn nun den ersten Mietern einen gewichtigen Schlüsselbund. „Wir sind mächtig stolz“, erklärte er mit Blick auf das Projekt und die Tatsache, dass die Häuser trotz erschwerter Lage nahezu plangemäß bezogen werden können: „Wo andere noch planen, haben wir unser drittes Projekt bereits fertig.“

Auch die Kosten bleiben im Rahmen: Rund 5,9 Millionen Euro hat das KU in den Bau investiert. Entstanden sind 16 barrierefreie Wohnungen mit gut 1200 Quadratmetern Wohnfläche – davon vier Zwei-Raum-Wohnungen und je sechs Einheiten mit drei beziehungsweise vier Zimmern. Jede Wohnung hat entweder eine Terrasse oder einen Balkon. Auch ein Lift sowie eine Tiefgarage mit 19 Stellplätzen und ein Fahrradkeller gehören dazu. lm Außenbereich gibt es für Bewohner eine gemeinsame Grünfläche mit Sitzbänken, Obstbäumen und Sträuchern. Zudem sollen auf der Westseite des Grundstücks Spielgeräte für Kinder aufgestellt werden. Beheizt wird mit einer pellet-Anlage. „Die Bauarbeiten sind ohne Schwierigkeiten abgelaufen“, sagte Architekt Daniel Pförtsch und hob die positive Zusammenarbeit mit der Gemeinde hervor, die sich als engagierter Bauherr gezeigt habe.

Angesichts des angespannten Wohnungsmarkts im Tegernseer Tal und der Region wurde das Angebot stark nachgefragt. Über 100 Bewerbungen auf eine der Wohnungen seien beim KU eingegangen, sagte Dagmar Milbrandt zuständig für die Hausverwaltung. Nicht zuletzt angesichts des Andrangs habe man einen Kriterienkatalog für die Auswahl erstellen müssen, erklärte KU-Chef Thomas Lange. So habe man berücksichtigt, wie lange ein Interessent schon im Ort oder im Tal lebt. Natürlich hätten auch die Höhe des Einkommens oder das Verhältnis von Wohnungsgröße zur Zahl der künftigen Bewohner eine wichtige Rolle gespielt. Das Verhältnis von Bedarf und Bestand werde wohl auch langfristig nicht ins Gleichgewicht zu bringen sein – trotz des Bestrebens, neue Wohnungen zu schaffen. Gleichwohl sei Bad Wiessee mit 186 gemeindeeigenen Wohnungen vergleichsweise gut aufgestellt. Wichtigstes Anliegen sei, nicht nur Gutverdienern, sondern auch Menschen aus der Mittelschicht ein Leben im Ort zu ermöglichen.

Bei den künftigen Bewohnern der beiden Häuser an der Dr.-Scheid-Straße habe man auf eine gute Auswahl, einen guten Mix, Wert gelegt, erklärten die Verantwortlichen. Insbesondere junge Familien mit Kindern und ältere, alleinstehende Personen hätten ein neues Zuhause gefunden, auch Menschen mit Handicap. 13 Parteien hätten schon zuvor im Ort gelebt, drei weitere seien aus anderen Talgemeinden hergezogen. „Wir bleiben nicht stehen, wir wollen noch mehr schaffen“, versicherte Kühn, denn schon stehen die nächsten Vorhaben auf der Agenda: Zuerst sollen die beiden Mehrfamilienhäuser an der Hagngasse abgebrochen und bis 2024 durch Neubauten mit mehr Wohnraum ersetzt werden. Außerdem steht die Sanierung der Ringbergsiedlung an. Es ist das älteste Objekt im Bestand.

[Das Gelbe Blatt, 20.11.2021]

10 Nov

Wohnprojekt bekommt Kümmerer

Otterfing – Bisher rang sich die Gemeinde nur zu Absichtserklärungen durch: Das Bauprojekt „Wohnen in Otterfing“, von dem besonders ältere Bürger profitieren sollen, es tritt auf der Stelle. Jetzt ist frischer Wind angesagt: Ein „Quartiersmanager“ soll das Konzept mit Leben füllen und anschieben. Der Gemeinderat beschloss einstimmig, eine Teilzeitstelle auszuschreiben und ab 1. Januar zu besetzen. Die Entscheidung fiel nicht schwer, da ein Förderprogramm des Freistaats fast die kompletten Personalkosten abdeckt.

Der Hinweis auf den Fördertopf stammt von Sabine Wenng, die für das bayerische Sozialministerium die „Koordinationsstelle Wohnen im Alter“ leitet und sich Anfang 2020 im Gemeinderat vorgestellt hatte. Wenng empfahl, frühzeitig einen Quartiersmanager ins Boot zu holen, um schon bei der Projektplanung und bei der konkreten Bedarfsanalyse professionelle Unterstützung im Haus zu haben (wir berichteten).

„Die Hauptaufgabe der neuen Stelle wird sein, unser Mehrgenerationen-Wohnen auf den Weg zu bringen“, betonte Bürgermeister Michael Falkenhahn (SPD) auf Anfrage. Zudem soll der oder die Manager(in) nicht nur das Wohnprojekt begleiten, sondern die sozialen Anbieter in der Gemeinde vernetzen, koordinieren und bei Bedarf für sie als Türöffner fungieren bei Behörden oder Förderstellen. „Ein offenes Ohr für soziale Belange in der Gemeinde“ solle der oder die Bewerber(in) mitbringen, wünscht sich Falkenhahn, „und vielleicht hat sie oder er ja eigene Ideen mit dabei“. Wie Rathaus-Geschäftsleiter Markus Stark in der Sitzung erklärte, gibt es in der Region bisher kaum solche fest angestellten Quartiersmanager: „Otterfing ist da eine Art Vorreiter.“

Bereits zum 1. Januar soll die Teilzeitstelle (50 Prozent) besetzt sein. Bewerben können sich Frauen und Männer, die Erfahrungen aus dem Bereich Soziale Arbeit mitbringen, etwa Diplom- oder Sozialpädagogen. Finanziert wird die neue Stelle zum Großteil aus dem staatlichen Förderprogramm „Selbstbestimmt Wohnen im Alter“. Vier Jahre lang gibt es je 20 000 Euro vom Freistaat, insgesamt also 80 000 Euro. Die Gemeinde selbst hat jährlich nur 2000 Euro beizutragen.

Das Ausschreibungsverfahren läuft. Wie Stark erklärte, sind feste Zusagen aber erst möglich, wenn die Förderung verbrieft ist. Zunächst ist die Anstellung auf vier Jahre angelegt. Ob der Gemeinderat darüber hinaus einen Quartiersmanager wünscht, der dann wohl ohne Zuschüsse zu finanzieren wäre, bleibe abzuwarten, sagte Falkenhahn: „Ich halte es für fair, den Bewerbern gleich zu sagen, dass es keine Garantie für eine Weiteranstellung nach den vier Jahren gibt.“

Schon seit Jahren versucht die Gemeinde, ein Wohnprojekt zu verwirklichen, das auf die Bedürfnisse von Senioren abgestimmt ist. Da hohe staatliche Zuschüsse winken, war angedacht, dies im Rahmen des kommunalen Wohnungsbaus zu realisieren. Als Standort war zunächst die gemeindeeigene Thoma-Wiese in der Ortsmitte auserkoren. Anfang 2020 beschloss der Gemeinderat dann, zehn der angedachten 25 Einheiten an junge Otterfinger zu vergeben und beim Standort nicht mehr nur auf die Thoma-Wiese fixiert zu sein.

[Merkur, 10.11.2021]

03 Nov

Quadratmeter sind die neue Währung am Arbeitsmarkt

Wirte, Kliniken, Stadtwerke: Viele Branchen tun sich schwer, Fachkräfte in die Region zu locken. Werkswohnungen sind ein Argument

München – Die neue Währung auf dem Arbeitsmarkt heißt Quadratmeter. Nicht nur Busunternehmer, auch viele andere Branchen sind von den hohen Mieten betroffen. Besonders Gastronomie und Pflege suchen händeringend nach Fachkräften.

Thierry Willems ist Chef des Bräustüberls Weihenstephan in Freising. Ihn schreckt der Personalmangel mehr als die Immobilienpreise. „Ich habe in Freising eine Wohnung für 600 000 Euro gekauft und 45 000 Euro in den Ausbau investiert“, berichtet er. Die Wohnung ist nicht für leitende Angestellte gedacht, sondern für Restaurantfachkräfte. Kräfte, an denen es mangelt. „Ich kriege keine guten Leute mehr“, stellt Willems fest, „zumindest nicht hier vor Ort.“

Deshalb sucht er seine Fachleute im Ausland. In Frankreich und Tschechien beispielsweise. Aber die können sich die hohen Mieten in München nicht leisten, denn die Gehälter seien in der Branche naturgemäß knapp kalkuliert, sagt Willems. „Damit ich den Leuten mehr zahlen kann, müsste ich mehr verlangen – und über 20 Euro für ein Schnitzel wird kaum ein Gast bezahlen.“

Deshalb verlangt der Restaurant-Chef von seinen Mitarbeitern nur einen Teil der ortsüblichen Miete. Denn nur mit Fachkräften funktioniere das Geschäft. Die Investitionen in die Wohnung, eine weitere auf dem TUM-Gelände und vier Zimmer im Bräustüberl sind für Willems’ Geschäft überlebenswichtig: „Andere Wirte hatten Personalmangel und konnten den Aufschwung nicht mitnehmen“, sagt Willems. Er bedauert, mit so harten Bandagen um seine Mitarbeiter kämpfen zu müssen. „Nicht alle Betriebe haben das Volumen, nebenher noch Immobilien kaufen zu können.“

Den Kampf um Fachkräfte ficht auch Frank Niederbühl, Geschäftsführer des Klinikums Garmisch-Partenkirchen. „Wir haben jetzt schon über 200 Wohneinheiten, aktuell bauen wir 19 dazu“, erklärt er. Gemeint ist ein Projekt im 3200-Seelen-Ort Ohlstadt. Hier hat das Klinikum das Alpenhotel gekauft und baut die Zimmer zu Wohnungen aus. Kostenpunkt allein für die Sanierung: 4,5 Millionen Euro. Erlös: gerade einmal etwa zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Für Niederbühl ist das aber alternativlos. „Wir brauchen vor allem gute Pflegekräfte und die können sich das Wohnen in der Region sonst nicht leisten.“ Da würden auch höhere Löhne nichts helfen: „Selbst wenn man auf dem Mietmarkt konkurrieren kann, gibt es trotzdem zu wenig Wohnraum“, sagt er. Trotz aller Mühe kann nur ein Teil der 1500 Klinikmitarbeiter eine der 230 Wohnungen beziehen. „Wir versuchen deshalb, die Wohnungen befristet zu vermieten und damit vor allem den neuen Leuten das Ankommen zu erleichtern“, erklärt der Klinik-Chef.

Ähnlich ist die Situation bei der München Klinik, zu der die Kliniken Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, Schwabing und Thalkirchner Straße gehören. „Wer in und für München arbeitet, soll hier auch gut mit seiner Familie leben können. Bezahlbarer Wohnraum für Mitarbeiter war für uns deshalb immer ein vordringliches Thema“, sagt Dr. Axel Fischer, Chef der München Klinik. Man habe derzeit Bezugsrechte für rund 1000 Wohnungen im Stadtgebiet, biete Unterstützung bei der Wohnungssuche sowie temporäre Personalunterkünfte. Besonders im Pflegebereich müsse die Klinik ein arbeitsplatznahes Wohnen erleichtern. So sind am Standort Schwabing 132 Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen für Pflegepersonal geplant. Daneben setzt die München Klinik auf weitere Bonbons: vergünstigte MVV-Tickets, Werbeprämien für Mitarbeiter, Wiedereinstiegs-Angebote für Berufsrückkehrer, Betriebsrente, flexible Arbeitszeit- und Kinderbetreuungsangebote sowie Fortbildungen. Außerdem bildet das Klinikum selber Pflegenachwuchs aus.

Bei den Stadtwerken München, zu denen auch die Verkehrsgesellschaft MVG mit ihren Bussen, Tram- und U-Bahnen gehört, setzt man schon seit Jahren wieder auf Werkswohnungen, denn auch hier fehlt Personal – besonders Fahrer im Nahverkehr. Bis 2030 wollen die Stadtwerke über rund 3000 Werkswohnungen verfügen.

Auch die öffentliche Hand investiert. So entstanden im September in Putzbrunn im Kreis München 76 Wohnungen. Träger ist das Landratsamt München. Mit zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter wollen der Landkreis und die Gemeinde Fachkräfte anlocken. Dabei sind 54 Wohnungen für Mitarbeiter des Landratsamtes gedacht, 22 für Gemeindemitarbeiter und Bürger. Insgesamt kostet das von Bund, Landkreis und Gemeinde finanzierte Projekt 29 Millionen Euro.

[Merkur, 03.11.2021]

03 Nov

Ja zum nächsten Schritt

Holzkirchen: Wohnquartier Winkelbauer-Höfe geht in Auslegung

Holzkirchen – Mit zwei Gegenstimmen haben die Holzkirchner Marktgemeinderäte kürzlich die vorzeitige Auslegung des vorhaben bezogenen Bebauungsplans Nr. 151 zwischen Valleyer Weg und Angerstraße gebilligt und die Öffentlichkeits- sowie Behördenbeteiligung gestartet. Die Stellplatzreduktion um 45 Prozent für die geplanten 64 Wohneinheiten hat allerdings noch einen juristischen Pferdefuß.

Dem Beschluss gingen eine vom Kolbermoorer Familienunternehmen Quest AG als Bauherr in Eigeninitiative gestartete Bürgerbeteiligung und Expertengespräche zu dem städtebaulichen Konzept voraus. Die Kritikpunkte aus früheren Sitzungen des Marktgemeinderats, wonach die fünf Baukörper zu groß und mächtig ausfallen, wurden vom Bauherrn aufgenommen. Um eine verträgliche Dichte zu erreichen, hat die Quest AG den ursprünglichen Entwurf geändert und die Gebäude kürzer und schmaler geplant. Ebenso wurden die privaten Freiflächen verkleinert, um gemeinschaftlichen Flächen mehr Platz einzuräumen. Auch wurden die von der Verwaltung geforderten Anpassungen der Straßenbreiten in den neuen Entwurf eingearbeitet.

Um eine baukostensparende Reduktion der Stellplätze zu ermöglichen, wurde ein Mobilitätskonzept vorgelegt, das im Schwerpunkt auf fünf Car-Sharing-Autos sowie Lastenräder, Pedelecs und Fahrradanhänger zum Leihen sowie einem Dreirad für mobilitätseingeschränkte Personen basiert. Die ursprünglich angedachte Reduktion von 55 Prozent kappten die Gemeinderäte um 10 Prozent weil der Plan, dass eine entsprechende Anzahl der Wohnungseigentümer eine Autoverzichtserklärung unterschreiben sollen, juristisch nicht möglich sei. Nach aktueller Berechnung ergeben sich einschließlich der Car-Sharing-Parkplätze 59 Stellplätze, wovon 51 in Tiefgaragen verschwinden.

Überwiegend und fraktionsübergreifend fand die Planung positives Echo. Deutliche Kritik kam allerdings von Josef Sappl sen. (CSU). Zwar hob auch er die gute Zusammenarbeit mit dem Bauherrn heraus. Allerdings sei das Grundstück das falsche. Zum einen monierte er, dass den Nachbarn durch die massive Bebauung die Sonne genommen werde, zum anderen äußerte er Zweifel, dass die Erschließung über den Bahnübergang am Valleyer Weg ausreichend sei. Zum Bahnübergang entgegnete Bürgermeister Christoph Schmid, dass dazu Untersuchungen gemacht wurden und die Blaulichtorganisationen involviert waren. Ergänzend meinte der Rathauschef: „Die Bürger, die dort wohnen, wissen sehr wohl, wann die Schranke zu ist, und sie haben sich darauf eingestellt.“ Den weiteren Einwand Sappls, die geplanten Parkplätze seien alleine schon in Anbetracht des zu erwartenden Liefer- und Handwerkerverkehrs zu wenige, konnte Schmid indes nicht ganz entkräften. Weil das Schwert der Autoverzichtserklärung derzeit eher stumpf ist und nur auf dem guten Willen der neuen Bewohner basiert, hofft Schmid: „Es gibt viele Menschen, die den Autoverzicht ganz bewusst leben wollen und wir sind guter Dinge, dass genau die dort einziehen werden.“

[Das Gelbe Blatt, 03.11.2021]

03 Nov

„Ohne Werkswohnung kriege ich keine Fahrer“

Zur Freude von Pendlern und Klimaschützern setzt der Münchner Verkehrsverbund immer mehr Busse ein. Für die Fahrer selbst ist die Metropolregion jedoch unattraktiv geworden – vor allem wegen der hohen Mieten. Bei einem Busunternehmer heißt es deshalb: Biete Tariflohn und Apartment.

Schlacht – Alles drängt nach München. Nirgends haben so viele Dax-Konzerne ihren Sitz, auch Microsoft hat hier seine Deutschland-Zentrale. Und die Universitäten sowie die Nähe zu den Bergen, Österreich und Italien locken. Die Schattenseite: Die Mieten sind in den letzten zehn Jahren um mehr als 60 Prozent gestiegen. Für viele Angestellte lohnt es sich kaum noch, in und um München zu arbeiten, wenn woanders vergleichbare Löhne gezahlt werden. Arbeitgeber in der Metropolregion, die das nicht über den Lohn ausgleichen können, haben arge Probleme, Personal zu finden – und setzen deshalb auf ein schon tot geglaubtes Konzept: die Werkswohnung.

„Anders bekomme ich keine Leute mehr“, sagt zum Beispiel Josef Ettenhuber aus dem Landkreis Ebersberg. Er ist Busunternehmer und bedient mit 132 Bussen Linien des Münchner Verkehrsverbunds (MVV). 132 Busse bedeutet jede Menge Fahrer. Und die sind am engen Markt kaum noch zu finden. Ettenhuber bereitet das Kopfzerbrechen. Einfach mehr Gehalt zahlen, das könne er nicht, erklärt er. „Die Linien werden vom MVV ausgeschrieben – und der Anbieter mit dem günstigsten Angebot erhält den Zuschlag.“ Dabei gebe es nur wenig Spielraum, denn der Verkehrsverbund setze den Tarifabschluss im privaten Omnibusgewerbe voraus.

Josef Ettenhuber hat 4 Mio. Euro investiert

Eigentlich sind Tarifverträge für Arbeitnehmer ein Vorteil, den Haken daran beschreibt Ettenhuber so: „Der Tarif wird für ganz Bayern ausgehandelt. Das heißt: In Zwiesel in Niederbayern gilt dasselbe wie in München.“ Laut dem Immobilienportal „Immowelt“ ist eine Münchner Wohnung oft kaum unter 20 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter zu haben – im niederbayerischen Zwiesel bekommt man für ein Drittel des Preises eine Wohnung. Das MVV-Land sei wegen der Lebenshaltungskosten für auswärtige Fahrer unattraktiv, sagt Ettenhuber: „Sie bekommen niemanden aus Deutschland, weil alle Verkehrsbetriebe händeringend Fahrer suchen. Da zieht niemand nach München.“ Die Fahrer könnten sich als ausgebildete Fachkräfte Ansprüche erlauben. Die Lösung für viele Betriebe sind Fahrer aus Osteuropa. „Wir bekommen viele Leute aus Kroatien, Rumänien und Serbien. Die arbeiten oft nur eine gewisse Zeit hier, verdienen ihr Geld und gehen dann in ihr Heimatland zurück“, sagt Ettenhuber. Dafür muss der Unternehmer aber in Vorleistung gehen. „Die Fahrer wollen das verdiente Geld ja nicht für die Miete ausgeben, sondern mit zu ihren Familien nehmen.“

Josef Ettenhuber und seine zwei Brüder haben deshalb investiert, allein rund vier Millionen Euro für Apartments direkt neben der Firmenzentrale im Glonner Ortsteil Schlacht im Kreis Ebersberg. „Früher hatten wir Container“, erklärt Ettenhuber, während er über den Firmenhof auf das Haus am Rande des Grundstücks zugeht. Ein dreistöckiger Neubau für 40 Parteien, in dem ein Teil seiner Fahrer wohnt.

Ein Apartment kostet 450 Euro Miete – warm

Einer ist Claudiu-Emanuel Acsinciuc. Der 48-jährige Rumäne war im Juli der erste Mieter im neuen Haus. „Es ist wie in einem Hotel“, sagt er zufrieden. Sein Zimmer ist bescheiden, aber hochwertig. Beheizter Steinboden in Holzoptik, ein Bett und ein Tischchen, auf dem eine Mikrowelle und eine Kaffeemaschine stehen. Zwei Türen führen in Küche und Badezimmer, die sich Acsinciuc mit seinem Nachbarn teilt.

Die Räume wirken anonym, aber modern und sauber. Tritt Acsinciuc auf den Balkon, sieht er das Nachbarhaus, ein Bau aus den 1970ern, in dem ebenfalls Mitarbeiterapartments sind. Davor steht ein überdachter Freisitz, auf dem die Fahrer gerne beisammen sind. Ansonsten gibt es in Schlacht nicht viel: ein Café, einen Hofladen – und viel Natur. Acsinciuc reicht das: „Ich gehe aus der Tür und bin bei meinem Bus – das spart mir jeden Tag viel Zeit und Geld.“

Der Rumäne zahlt 450 Euro Miete. Warm. Das kostet jedes von Josef Ettenhubers Zimmern. Für Acsinciuc ist das ein guter Handel, denn so kann er selbst bestimmen, wie viel ihm von seinem Tariflohn bleibt. Der Tarif, das sind je nach Berufserfahrung zwischen 2205,95 und 2404,81 Euro brutto.

Josef Ettenhuber betont: „Es müsste für den Tarif einen München-Zuschuss geben, damit die Arbeit auch hier attraktiv bleibt.“ Denn während der MVV seine Takte zur Freude der Pendler verstärkt, brauchen die Busunternehmer immer mehr Fahrer, um die zusätzlichen Busse zu besetzen. „Und langsam kommen sie nicht mehr von alleine. Ich überlege gerade, ob ich es mit Facebook-Werbung versuchen soll.“

Langfristig komme ein weiteres Problem dazu: „Die Apartments sind ja nicht darauf ausgelegt, von einer Familie bewohnt zu werden“, sagt der Busunternehmer. Zwar seien seine Mietverträge unbefristet, aber im Grunde nur als Starthilfe gedacht: „Wer dauerhaft hier arbeiten will, sollte sich schon irgendwann etwas Eigenes suchen, damit der nächste Fahrer einziehen kann.“ Doch dann wird das MVV-Gebiet für viele wieder unrentabel.

[Merkur, 03.11.2021]

25 Okt

Studie zeigt die Not der Mieter

Gebäude werden durch Neubauten ersetzt, Wohnungen luxussaniert und alteingesessene Mieter entmietet. Die Gentrifizierung schreitet immer weiter voran – im Auftrag der Stadt hat nun die Humboldt-Universität aus Berlin untersucht, wie diese Verdrängung in München stattfindet. Konkret zeigt sich das an einem Beispiel aus der Maxvorstadt.

Die Mieter der Gabelsbergerstraße 77 haben Angst, denn das Anwesen wurde verkauft. Ihr neuer Vermieter ist eine Immobilien GmbH, die auch in Verbindung mit den umstrittenen Immobilienprojekten in der Türkenstraße 52/54 steht. In der Gabelsbergerstraße 77 fürchten die Bewohner nun, „Opfer der Gentrifizierung“ zu werden, erklärt Alain L. Bis jetzt sind die Mieten fair, sagen die Bewohner. Besonders skurril: Vor dem Verkauf musste der ehemalige Besitzer eine Geldstrafe wegen seiner zu niedrigen Mieten zahlen (wir berichteten).

Die Gemeinschaft ist über die Jahre zusammengewachsen. „Ich lebe seit fast 35 Jahren in dem Anwesen“, erzählt Anneliese L. Eine weitere Frau wohnt schon seit 1963 in einem der Gebäude.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber. Die Gebäude mit den rund 40 Parteien befinden sich im Gebiet der Erhaltungssatzung, deswegen hat die Stadt ein Vorkaufsrecht. Die Mieter forderten die Stadt nun auf, davon Gebrauch zu machen. „Dieser Ausverkauf an allen Ecken und Enden ist nicht das, was wir uns für unser Viertel wünschen“, sagt die Vorsitzende des Bezirksausschusses, Svenja Jarchow-Pongratz (Grüne). Die Verdrängung ist kein exklusives Problem der Maxvorstadt.

Im Auftrag der Stadt hat die Humboldt-Universität aus Berlin untersucht, wie Gentrifzierung genau vonstatten geht. Die Ergebnisse liegen unserer Zeitung bereits vor. Die Studie wurde von Februar 2020 bis März 2021 durchgeführt, exemplarisch an den Stadtvierteln Milbertshofen, Schwabing, Obergiesing und Ramersdorf-Perlach. Für die Untersuchung wurde mit Experten und 51 Münchner Mietern gesprochen, die von Verdrängung betroffen sind oder waren. Denn 13 von ihnen sind bereits ausgezogen. Sie berichten über die miesen Maschen der Immobilieninvestoren.

Klar scheint: Verdrängung geschieht oft nach dem gleichen Schema. Eine Immobilie wird verkauft, der neue Eigentümer will sanieren, modernisieren. Das führt zum einen zu einer hohen Belastung der Mieter, etwa durch Dreck und Baulärm, zum anderen auch zu höheren Mieten. Mit der Ankündigung zur Erhöhung alleine wird bereits Druck aufgebaut. „Die haben mir schon ausgerechnet, dass ich dann drei Euro pro Quadratmeter mehr zahlen müsste“, erzählt ein Teilnehmer der Studie. „Und das würde bei mir so zwischen 200 bis 300 Euro ausmachen. was natürlich ein dickes Ding ist.“ Weitere Teilnehmer berichten zudem von herbeigeführten Heizungsausfällen, Abmahnungen, Diffamierungsversuchen und Drohungen oder vom Austausch von Kellerschlössern. Häufig gehen Mieter schon beim Eigentümerwechsel davon aus, dass demnächst eine Eigenbedarfskündigung ins Haus flattern könnte. Interviewte berichten, dass nach einer solchen Kündigung die Wohnung wenig später wieder im Internet angeboten wurde, teils zum Kauf, teils zur (höheren) Miete. Auch der Dachausbau kann zur Verdrängung führen. Zum einen wird über Monate im Haus gewerkelt, zum anderen kommt nicht selten eine Mieterhöhung, weil Fahrstühle eingebaut werden müssten.

Viele Interviewte berichten zudem davon. dass ihre Miete alle drei Jahre um die maximal möglichen 15 Prozent angehoben wird. Der finanzielle Druck steigt, da absehbar ist, dass Mieten auch künftig angehoben werden. Ein Befragter sagt: „Aber wie gesagt, wo soll ich hin? Natürlich bekomme ich eine Wohnung für 1500 oder für 1800 Euro irgendwo. Oder für 2000. Die habe ich aber nicht.“

So werden Mieter verdrängt, neue, besser verdienende Mieter ziehen ein. Oder die Wohnung wird zur Kapitalanlage genutzt und steht leer. Die alten Mieter finden meist in München keine günstige Wohnung mehr, viele müssen die Stadt verlassen.

Was kann die Stadt aber nun tun? Oft macht sie bereits von Vorkaufsrechten Gebrauch, auch der Bau günstiger Wohnungen wird vorangetrieben. Zudem gibt es eine Novelle des Baugesetzbuches, die auch ein stadtweites Umwandlungsverbot vorsieht. Heißt: Die Verwaltung muss bei jeder Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ihr Einverständnis geben. Damit diese Novelle greift, muss die Staatsregierung München zu einer „Kommune mit angespanntem Wohnungsmarkt“ erklären. Das werde geprüft, sagt der Freistaat. Geprüft wird auch, ob die Stadt im Fall der Gabelsbergerstraße 77 von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen soll. Der Stadtrat soll darüber im Dezember entscheiden.

[Merkur, 25.10.2021]

19 Okt

Mehr Gemeinschaftsflächen, weniger Autos

Die Gestaltung der „Winklbauer Höfe“nimmt weiter Form an. Der Marktgemeinderat hat sich erneut mit dem Großprojekt am Valleyer Weg befasst. Die Pläne liegen jetzt öffentlich aus.

Holzkirchen – In seiner jüngsten Sitzung befasste sich der Marktgemeinderat Holzkirchen erneut mit der Planung des Wohnquartiers am Valleyer Weg. Es galt zu klären, ob die Räte für eine frühzeitige Auslegung der bisherigen Pläne plädieren.

Etwa 65 Wohneinheiten sollen in dem neuen Areal entstehen (wir berichteten). Nun wurde der Plan von dem Bauherrn, der Quest AG, nach einigen Kritikpunkten aus einem Expertengespräch, an dem unter anderem Gemeindevertreter und Stadtplaner beteiligt waren, nachjustiert.

Dabei ging es auch darum, dass die Gebäude insgesamt schmäler und kürzer werden sollen. „Das Quartiersgebäude ist nun um 1,50 Meter verkürzt worden“, erklärte Doris Hötzendorfer vom Bauamt. Die daraus resultierenden Einsparungen würden Flächen zur Gemeinnutzung zu Gute kommen. „So sind nicht zuletzt auch die Bebauungsdichte reduziert und die privaten Freiflächen etwas verringert“, führte Hötzendorfer aus. Gebaut werden soll in der ortstypischen Form der Quartiersgebäude.

Auch das Mobilitätskonzept wurde nochmals unter die Lupe genommen. „Dass hier ein autoreduziertes Quartier entsteht, war von Anfang an Bedingung der Gemeinde für einen Aufstellungsbeschluss“, erklärt der Quest-Projektleiter Michael Sandbichler auf Nachfrage unserer Zeitung. Das Mobilitätskonzept basiert also auf einer Reduktion von Stellplätzen. Bisher anvisiert sei zur Minimierung von Privatautos ein Carsharing-System für das Wohnquartier. „Mit drei bis fünf Elektroautos“, so Sandbichler. Zwei der Carsharing-Plätze seien sicher in der Tiefgarage, die nach jetziger Planung auf insgesamt 49 Stellplätze ausgelegt ist.

Ursprünglicher Wunschgedanke der Marktgemeinde war eine Stellplatzreduktion um 55 Prozent. Diese Dimension sei aber nur in Verbindung mir einer sogenannten Autoverzichtserklärung der Wohnungseigentümer zu ermöglichen. Doch aktuell habe die Marktgemeinde noch keine sichere rechtliche Grundlage und Einschätzung einer solchen Verzichtserklärung. Daher sehe der aktuelle Plan eine Stellplatzreduktion von lediglich 45 Prozent vor. „Vieles an dem Projekt ist ein Experiment“, meinte etwa CSU-Sprecher Sebastian Franz dazu. „Aber Holzkirchen könnte künftig dann als innovatives Vorbild vorangehen.“

Auf Nachfrage von Grünen-Rat Robert Wiechmann bestätigte Bürgermeister Christoph Schmid (CSU), dass die Gemeinde der weiteren Reduzierung um zehn Prozent an Stellplätzen nachgehen werde, sobald man dazu eine „verlässliche Aussage von juristischer Seite“ habe.

Anreize, auf ein eigenes Auto zu verzichten, seien nicht zuletzt auch Lastenfahrräder, welche im Mobilitätskonzept für das Wohnquartier vorgesehen sind. Etwa elf an der Zahl. Wie viele genau, stünde laut Sandbichler noch nicht fest. Zusätzlich will die Quest auf Pedelecs und Fahrradanhänger zum Leihen setzen. Ebenso soll es einen Fahrrad-Pool mit Leihrädern, auch in Kindergrößen, sowie einem Dreirad für mobilitätseingeschränkte Personen geben.

Neben der Autoreduktion soll auch eine Paketstation Entlastung auf den umliegenden Nebenstraßen bringen. „Bei einer zentralen Paketstation für das ganze Quartier entzerren wir den Lieferverkehr“, erklärt Sandbichler. Generell gäbe es bei einigen Stellschrauben noch Abstimmungs- und Detaillierungsbedarf für ein endgültig feststehendes Mobilitätskonzept.

Starke Bedenken äußerte Josef Sappl senior (CSU) an dem gesamten Projekt: „Ich finde die Planung zwar gut, aber nicht an diesem Fleck in Holzkirchen.“ Denn: „Mir liegt es im Magen, die Nachbarn in den Schatten zu stellen. Der Bau nimmt ihnen die Sonne.“ Seiner Meinung nach seien es „zu massive Bauten auf einem zu kleinen Grundstück.“ Weiter seien die Freiparkflächen für Besucher und Handwerker „viel zu gering bemessen“, gab der CSU-Rat zu bedenken.

Zweite Bürgermeisterin Birgit Eibl (FWG) sprach sich hingegen für die aktuelle Planung aus und merkte an: „Der Plan ist jetzt – nach den Änderungen durch das Expertengespräch – viel besser“. Bei zwei Gegenstimmen wurde die frühzeitige Auslegung des Plans und damit die Beteiligung der Öffentlichkeit beschlossen.

[Merkur, 19.10.2021]

15 Okt

Besondere Bau-Kooperation

Novum in der Geschichte der Gewofag: Sie schafft mit dem Discounter Lidl Wohnraum in Sendling-Westpark

Wenn es eines in München zu wenig gibt, dann sind das freie Flächen, auf denen bezahlbare Wohnungen entstehen könnten. Ideen sind also gefragt, genauso wie der Mut zu ungewöhnlichen Kooperationen. Beides hat die Gewofag: Das städtische Wohnungsbauunternehmen schließt sich nämlich mit dem Discounter Lidl zusammen. Gemeinsames Ziel: die Errichtung eines neuen Gebäudes an der Tübinger Straße – halb Supermarkt, halb Wohnhaus.

„Ein echter Gewinn“, findet Gewofag-Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler, der mit dem Projekt neue Wege geht. Das Novum: Das städtische Unternehmen baut erstmals auf dem Grundstück eines Lebensmittelhändlers. „Das freut uns sehr.“ Denn: Auf diese Weise könne der Bereich doppelt genutzt werden.

Auf der Fläche im Stadtteil Sendling-Westpark, nahe des Heimeranplatzes, steht bereits eine ältere Lidlfiliale. Diese wird ersetzt. Das Konzept des neuen Hauses: 160 Parkplätze werden in der Tiefgarage und im Erdgeschoss geschaffen. Ein großer, moderner Supermarkt entsteht im ersten Stockwerk. Ab der zweiten Ebene folgen 100 neue Wohnungen der Gewofag. 30 Prozent davon werden für Menschen mit kleinem Geldbeutel gefördert: Die Miete liegt laut Gewofag bei etwa zehn Euro pro Quadratmeter. Die restlichen Einheiten werden preisgedämpft vermietet. „Deutlich unterhalb der Marktmiete für Neubauwohnungen.“ Unten günstige Preise beim Discounter, oben ein bezahlbares Zuhause: Mit einer solchen Gebäude-Doppelnutzung habe der Lebensmittelhändler bereits gute Erfahrungen in Berlin gesammelt, wie Marek Franz, Leiter der Lidl-Immobilienregion Südost, erklärt. „Mit der Gewofag als starke Wohnungsbaupartnerin an unserer Seite können wir nun auch in München beginnen.“ Weitere Standorte würden geprüft. Wie berichtet, geht es dabei um die Stadtteile Obermenzing und Schwabing.

Bis es an der Tübinger Straße losgeht, dauert es aber noch: Der Zeitplan sieht vor, dass die Planungen Mitte 2022 beginnen. Die Fertigstellung ist erst für das Jahr 2026 vorgesehen. Mit dem besonderen Projekt erweitert die Gewofag ihren Kreis an Kooperationen. „Sie sind ein zunehmend wichtiger Weg, um unseren Bestand an gefördertem und preisgedämpften Wohnraum zu erweitern.“ Mit 37 000 Wohnungen und Gewerbeeinheiten ist die Gewofag Münchens größte Vermieterin. Die Pläne für ihre Kooperation mit Lidl sind bereits seit dem Jahr 2018 bekannt: Seitdem wurde an dem Projekt gefeilt.

Der Discount-Lebensmittelhändler ist freilich nicht das einzige Unternehmen, das seinen Immobilienzweig in München weiter ausbaut. Und auch Wohnraum schafft. Konkurrent Aldi ist genauso aktiv und an insgesamt vier Projekten im gesamten Stadtgebiet beteiligt. Partner dabei ist unter anderem das städtische Wohnungsbau-Unternehmen GWG.

[Merkur, 17.10.2021]

14 Okt

„Raserei auf dem Wohnungsmarkt“

Frankfurt/München – Die Großbank UBS hat 25 Metropolen rund um den Globus auf die Gefahr einer dort platzenden Preisblase im Immobiliensektor hin untersucht. „Beim Blasenrisiko steht Frankfurt an erster Stelle“, stellt UBS-Immobilienexperte Maciej Skoczek fest. Ab Indexwert 1,5 färbt UBS Städte rot ein, um Gefahr zu signalisieren. Frankfurt hat mit 2,16 den höchsten Wert – noch vor Städten wie London, New York oder Zürich, die für ihre Preise berüchtigt sind.

„Ein Wert über zwei ist wirklich ein Ausrufezeichen“, warnt Matthias Holzhey als Chef der UBS-Immobilienabteilung. Die Main-Metropole hat Vorjahresspitzenreiter München vom Thron gestoßen, der mit Indexwert 1,84 an vierter Stelle und damit weiterhin weit oben im roten Gefahrenbereich liegt.

Die Immobilienpreise in ganz Deutschland seien in den vergangenen vier Quartalen um im Schnitt acht bis neun Prozent gestiegen und das inflationsbereinigt. In Frankfurt waren es in dem Zeitraum zwar nur sechs Prozent. Aber das betrifft nur Zentrumslagen. In den vergangenen fünf Jahren seien die Immobilienpreise in der Mainmetropole um jährlich im Schnitt ein Zehntel und damit so stark wie sonst nirgends auf der Welt angezogen, hat die UBS ermittelt. Weil das auch für Betuchte langsam nicht mehr finanzierbar ist, dränge nun alles ins Umland, was dort in den vergangenen zwölf Monaten stärkere Preisschübe als in Citylagen ausgelöst habe. Damit wird Wohneigentum auch dort zunehmend unbezahlbar.

Gleiches gilt für München. „Die Stadt ist ein Opfer ihres Erfolgs geworden“, schreibt UBS über die Isarmetropole. Wirtschaftlicher Erfolg und Zuzug zahlungskräftiger Experten lässt die Immobilienpreise explodieren. In München muss mittlerweile selbst ein hoch qualifizierter Angestellter neun Jahre lang arbeiten, um eine Eigentumswohnung mit 60 Quadratmetern kaufen zu können, hat UBS ausgerechnet. In Frankfurt sind es sieben Jahre, Tendenz in beiden Fällen stark steigend.

Folge sind immer höhere Kreditanteile beim Immobilienkauf. „Ab fünf Jahresverdiensten wird es schwierig, ab zehn sehr schwierig“, sagt Holzhey zu den Finanzierungschancen für Wohneigentum wohlgemerkt von gut verdienenden Menschen. Das entwickelt zugleich Druck auf Mietpreise. In München dauert es nach UBS-Berechnungen 38 Jahre, bis eine vermietete Wohnimmobilie für den Käufer abbezahlt ist. Krasser ist es nur noch in Zürich und Hongkong. In Frankfurt sind es 32 Jahre. Das schreit nach Mietpreiserhöhungen am oberen Rand des Möglichen. Schon jetzt liege Frankfurt auf Rang drei der untersuchten Städte, in denen auch die Mietpreise in jüngster Zeit am stärksten angezogen haben, analysiert UBS und spricht von „Raserei auf dem Wohnungsmarkt“.

[Merkur, 14.10.2021]